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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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eher für das grasende Vieh auf der Koppel gedacht zu sein. Wenn die Tiere nicht ständig darum bemüht gewesen wären, es wieder von den hohen Grashalmen zu befreien, wäre es schon längst zugewuchert. Der Name, der einst in das Holz eingeritzt worden war, hatte sich nun mit Moos gefüllt und erstrahlte in einem kräftigen Grünton. »Meister Trebor« stand darauf geschrieben.
    Den Turm zu besuchen wäre ein zu weiter Umweg. Es war aber auch nicht die Unterkunft des Zauberers, die Mogda im Sinne hatte. Vielmehr dachte er an einen alten Freund, den er schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Voller Vorfreude machte er sich wieder auf den Weg. Lediglich zwei Wegstunden trennten ihn von vielen Erinnerungen. Der schmale Weg, der sich am Rande des Tannenverlieses, wie die Bewohner das Gehölz nannten, entlangschlängelte, wurde augenscheinlich nur noch selten benutzt. Schwere Äste bogen sich weit herunter, die es Reitern und Fuhrwerken unmöglich gemacht hätten, diesen Weg zu passieren. Gestrüpp überwucherte die Fuhrrillen und ließ die Straße nicht viel mehr scheinen als einen Wildpfad.
    Während er einen Fuß vor den nächsten setzte, fragte er sich plötzlich, ob es richtig war, Usil nach so vielen Jahren wieder zu besuchen. Er war damals schon ein alter Mann mit vielen Gebrechen gewesen. Was, wenn er nicht mehr lebte und nun andere Menschen hier wohnten, die Mogda nicht willkommen hießen? Er wollte gerade wieder umkehren, als er einen schwachen Lichtschein zwischen den Bäumen sah. Usils Haus lag dichter an der Straße, als er es vermutet hätte. Es war Jahre her, dass er und Rator auf ihrem Weg nach Osberg hier vorbeigekommen waren. Damals konnten sie noch nicht die Straßen bewandern. Sie mussten sich mühsam durch das Unterholz schlagen.
    Herabgefallene Äste knackten unter Mogdas Gewicht, und das Laub raschelte bei jeder seiner Bewegungen. Der trockene Waldboden machte ein lautloses Herannahen so gut wie unmöglich. Dennoch war es ihm unangenehm, sich auf diese Art an den Hof heranzuschleichen. Er fühlte sich zurückversetzt in die Zeit, in der er gezwungen war, aus Gründen des Selbsterhaltes auf das Vieh der Hüttenbauer zurückzugreifen. Er musste so handeln, damals wie heute. Menschen, Zwerge und Oger lebten friedlich nebeneinander, doch nicht alle Oger wussten von dieser Allianz oder wollten davon wissen. Um Missverständnissen vorzubeugen, hatten die Menschen bestimmt, dass die Oger vom Drachenhorst sich nur auf den offiziellen Wegen aufhalten durften, wenn sie in der Nähe von Siedlungen waren. Ein Erlass, der so manchem aus Mogdas Volk missfiel, dem aber doch zugestimmt wurde, um die endlosen Verhandlungen endlich zu beschließen. Mogda hatte von Anfang an nicht verstanden, warum die Menschen sich durch diesen Beschluss geschützt fühlten. Zwar war es den Ogern jetzt gesetzlich verboten, einen Menschen im Wald niederzustrecken. Wenn einem dasselbe auf der Straße passierte, war man aber trotzdem tot.
    Mogda hoffte, jegliche Begegnung umgehen zu können, indem er sich so gut wie möglich verbarg. Hier im Tannenverlies auf eine Horde Jungbauern zu treffen, die davon überzeugt waren, richtig zu handeln, wenn sie ihn mit ihren Forken jagten, war keine Erfahrung, die er machen wollte.
    Weiterhin vorsichtig näherte sich Mogda der großen Lichtung, auf der Usil seinen Hof hatte. Behutsam drückte er die Äste einer weit verzweigten Pappel beiseite. Der Blick auf das Gehöft wurde von weiten Reihen Maispflanzen verdeckt. Die reifen Fruchtstände zeigten, dass Usil mit seiner Arbeit wieder im Verzug war. Der alte Mann hatte schon vor Jahren Mühe gehabt, seinen Hof allein zu bewirtschaften, doch er hing an diesem Ort und wollte ihn unter keinen Umständen verlassen.
    Mogda erkannte den Schein mehrerer Fackeln, die sich vor dem Haus auf und ab bewegten.
    Egal, wer dieses Haus jetzt bewohnte, es war nicht Usil. Mogda ärgerte sich bereits, den Umweg leichtsinnig in Kauf genommen zu haben, nur um festzustellen, dass er umsonst gekommen war. Er wollte gar nicht wissen, wer jetzt auf dem Hof lebte. Jedes weitere Detail würde nur dazu führen, dass er sich schlechter fühlte. In seinen Gedanken war Usil einfach aus Altersgründen in die Stadt gezogen. Tief in ihm schlummerte dennoch die Befürchtung, dass es nicht so war.
    Mogda ließ gerade die biegsamen Äste der Pappel langsam wieder zurückfedern und wollte im Dickicht des Waldes verschwinden, als er eine krächzende Stimme vom anderen Ende des

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