Der Rubin im Rauch
eröffnet worden, für
Kinder unter dreizehn bestand nun Schulpflicht. Mr. Blyths Gewissen
war jedoch so wenig greifbar wie das Kind selbst, zu unterentwickelt,
um Nachforschungen anzustellen, geschweige denn zu protestieren.
So blieben sowohl sein Gewissen als auch das Kind stumm, während
Mrs. Holland Anweisungen für den Tee gab, und dann verschwanden
beide wieder.
Mrs. Holland wandte sich wieder ihrem Besucher zu, beugte sich
nach vorne, tätschelte ihm das Knie und sagte: „Na? Se ham doch die
Unterlagen, ha? Nur keine falsche Scham, Mr. Blyth. Machen Se ihre
Mappe auf und verraten Se 'ner alten Dame ihr Geheimnis."
„Ja, ja, gleich", antwortete der Anwalt. „Obwohl es streng
genommen natürlich gar kein Geheimnis gibt, unser Arrangement ist
ja völlig legal zustandegekommen..."
Mr. Blyths Stimme hatte die Angewohnheit, wenn er etwas gesagt
hatte, irgendwie zu verklingen, anstatt sozusagen einen Punkt hinter
das Gesagte zu machen. Sie schien zu ermuntern, daß er für einen in
letzter Minute gemachten alternativen Vorschlag offen sei. Mrs.
Holland nickte heftig. „Ganz recht", sagte sie. „Offen und ehrlich.
Keine Mauscheleien -- das kann ich nich brauchen. Fahrn Se fort, Mr.
Blyth." Mr. Blyth öffnete seine Ledermappe und nahm einige Papiere
heraus.
„Ich bin am letzten Mittwoch nach Swaleness runtergefahren",
sagte er, „und habe die Zustimmung des Herrn zu den Abmachungen,
die wir bei unserem letzten Treffen vereinbarten, eingeholt..."
Hier machte er eine Pause, da Adelaide gerade mit dem Teetablett
hereinkam. Sie setzte es auf einem staubigen, kleinen Tisch ab,
knickste vor Mrs. Ho lland und ging wortlos wieder. Während Mrs.
Holland den Tee eingoß, fuhr Mr. Blyth fort. „Die
-- äh
--
Abmachungen... um da sicher zu gehen. Der betreffende Gegenstand
soll bei den Bankiers Hammond und Whitgrove, Winchester Street,
deponiert werden -- "
„Der betreffende Gegenstand? Bloß keine falsche Scham, Mr.
Blyth. Heraus damit."
Er machte einen ausgesprochen gequälten Eindruck, als er jetzt
etwas klar beim Namen nennen sollte. Er senkte die Stimme, beugte
sich auf seinem Stuhl nach vorne und schaute um sich, bevor er
sprach.
„Der -- äh -- Rubin wird in der Hammond und Whitgroves Bank
deponiert und soll dort bis zum Tod des Herrn bleiben, worauf laut
seinem Testament, das ordnungsgemäß von mir und einer -- äh -- Mrs.
Thorpe bezeugt wird - "
„Wer ist das? Eine Nachbarin?"
„Eine Hausangestellte, Ma'am. Nicht so ganz zuverlässig, sie trinkt,
soviel ich weiß, aber ihre Unterschrift ist natürlich gültig. Ah -- der
Rubin wird wie gesagt bei Hammond und Whitgrove bleiben bis zum
Tod des Herrn, worauf er in Ihr Eigentum übergehen wird..."
„Und das ist legal, oder?"
„Vollkommen, Mrs. Holland..."
„Gar nix faul an der Sache? Keine Überraschungen in letzter
Minute?"
„Nichts dergleichen, Ma'am. Ich hab hier eine Kopie des
Dokuments, das von dem Herrn persönlich unterzeichnet ist. Es zieht,
wie Sie sehen, alle -- äh -- Eventualitäten in Betracht..."
Sie nahm ihm das Blatt ab und prüfte es gründlich. „Scheint mir in
Ordnung zu sein", meinte sie. „Gut, Mr. Blyth. Ich bin 'ne anständige
Frau. Sie ham 'n Stück Arbeit geleistet -- ich zahl Ihnen das Honorar.
Was kostet der Spaß?"
„Was der Spaß kostet? Oh -- äh -- natürlich. Mein Angestellter
bereitet momentan eine Rechnung vor, Mrs. Holland. Ich werde dafür
sorgen, daß Sie dieselbe rechtzeitig zugeschickt bekommen..."
Er blieb noch etwa eine Viertelstunde, dann ging er. Nachdem
Adelaide ihn so geräuschlos wie ein Schatten zur Tür begleitet hatte,
saß Mrs. Holland noch eine Weile im Salon und las zum wiederholten
Mal das Dokument, das der Anwalt ihr gebracht hatte. Dann räumte
sie ihre Zähne auf, nachdem sie sie in der Teekanne gespült hatte, zog
ihren Mantel an und machte sich auf den Weg, um die Hammond und
Whitgroves Bank in der Winchester Street in Augenschein zu nehmen.
Der dritte aus unserer neuen Bekanntschaft hieß Matthew Bedwell.
Er war zweiter Maat auf einem Trampdampfer im Fernen Osten
gewesen, aber das war schon mehr als ein Jahr her. Im Augenblick
befand er sich in einem desolaten Zustand. Mit einem Seesack über
der Schulter streifte er durch das Labyrinth dunkler Straßen hinter den
Westindischen Docks. Eine dünne Jacke hatte er gegen die Kälte -- die
er empfindlich spürte -- bis oben hin zugeknöpft; er hatte nicht die
Energie, sich etwas Wärmeres rauszusuchen.
In
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