Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
einer Ecke
vergnügte sich eine kleine Gruppe von Männern lauthals bei mehreren Krügen Brandy. Zwei von ihnen sangen oder versuchten es zumindest, und ihre Bemühungen verursachten große Heiterkeit bei ihren Kameraden. Jamie nickte fast unmerklich bei ihrem Anblick und wandte sich wieder an Fergus.
    »Was hast du in der Zwischenzeit mit Gavin gemacht?« fragte Jamie. Fergus zog eine Schulter hoch.
    »Ihn in den Wagen gelegt. Ich habe seine Kleider bei einer Lumpenhändlerin gegen ein Leichentuch eingetauscht, und als Teil der Abmachnung war sie bereit, ihn zu waschen. Keine Sorge, Milord, er ist vorzeigbar. Noch«, fügte er hinzu und hob den frischen Bierkrug an die Lippen.
    »Armer Gavin.« Duncan Innes hob seinen Becher zum Gedenken an den gefallenen Kameraden.
    »Slàinte«, antwortete Jamie und hob ebenfalls den Becher. Dann stellte er ihn hin und seufzte.
    »Er würde nicht wollen, daß man ihn im Wald beerdigt«, sagte er.
    »Warum nicht?« fragte ich neugierig. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es eine Rolle für ihn spielt, so oder so.«
    »O nein, das dürfen wir nicht, Mrs. Claire.« Duncan schüttelte energisch den Kopf. Duncan war normalerweise ein sehr zurückhaltender Mann, und ich war überrascht, daß er so viel Gefühl zeigte.
    »Er hatte Angst im Dunkeln«, sagte Jamie leise. Ich starrte ihn an, und er lächelte mich schief an. »Ich hab’ mit Gavin Hayes fast so lange zusammengelebt, wie mit dir, Sassenach - und auf sehr viel engerem Raum. Ich habe ihn gut gekannt.«
    »Aye, er hatte Angst davor, im Dunkeln allein zu sein«, fiel Duncan ein. »Er hatte eine höllische Angst vor den tannagach - vor Geistern, aye?«
    Der Ausdruck seines langen, kummervollen Gesichtes war nach innen gewandt, und ich wußte, daß er in Gedanken die Gefängniszelle vor sich sah, die er und Jamie drei Jahre lang mit Gavin Hayes geteilt hatten - und mit vierzig anderen Männern. »Erinnerst du dich, Mac Dubh, wie er uns eines Nachts von dem tannasq erzählt hat, dem er begegnet ist?«
    »O ja, Duncan, und ich wünschte, ich hätte es vergessen.« Jamie erschauerte trotz der Hitze. »Ich habe die halbe Nacht wachgelegen, nachdem er uns die Geschichte erzählt hatte.«
    »Wie ging sie denn, Onkel Jamie?« Ian beugte sich mit großen Augen über sein Ale. Seine Wangen waren gerötet und schweißnaß, seine Halsbinde zerknittert vor Feuchtigkeit.

    Jamie rieb sich den Mund und überlegte.
    »Ah. Nun, es war eines Abends im kalten Spätherbst in den Highlands, um die Zeit, wenn die Jahreszeit wechselt und die Luft einem verrät, daß der Boden am nächsten Morgen mit Reif überzogen sein wird«, sagte er. Er machte es sich auf seinem Sitz bequem und lehnte sich zurück, den Bierkrug in der Hand. Er lächelte ironisch und zupfte sich am Hals. »Nicht so wie jetzt, aye? Also, Gavins Sohn trieb an dem Abend die Kühe heim, aber eine fehlte - der Junge hatte sämtliche Hügel und Senken abgesucht, konnte sie aber nirgends finden. Also ließ Gavin den Jungen die beiden anderen melken und zog selber los, um die verlorene Kuh zu suchen.«
    Er drehte den Zinnbecher langsam zwischen seinen Händen und starrte in das dunkle Ale, als sähe er darin die nachtschwarzen schottischen Gipfel und den Nebel, der durch die herbstlichen Täler schwebte.
    »Er lief ein ganzes Stück, und die Kate hinter ihm verschwand. Als er sich umsah, konnte er das Licht im Fenster nicht mehr sehen, und um ihn war nichts als das Heulen des Windes. Es war kalt, aber er ging weiter, stapfte durch Heide und Morast, und unter seinen Stiefeln hörte er Eis brechen.
    Er sah einen kleinen Hain im Nebel, und weil er dachte, die Kuh hätte vielleicht unter den Bäumen Schutz gesucht, ging er dorthin. Er sagte, es waren kahle Birken, doch ihre Zweige waren so zusammengewachsen, daß er sich bücken mußte, um darunter durchzupassen.
    Er trat in den Hain und sah, daß es gar keiner war, sondern ein Kreis von Bäumen. Sehr große Bäume standen in regelmäßigen Abständen um ihn herum, und kleinere Schößlinge wuchsen dazwischen und bildeten eine Wand aus Zweigen. Und in der Mitte des Kreises war ein Hügelgrab.«
    Trotz der Hitze in der Wirtschaft fühlte ich mich doch, als sei mir ein Eissplitter an der Wirbelsäule heruntergeglitten. Ich hatte in den Highlands solche uralten Hügelgräber gesehen und fand sie schon bei Tageslicht unheimlich genug.
    Jamie trank einen Schluck Ale und wischte sich einen Schweißtropfen weg, der ihm die Schläfe

Weitere Kostenlose Bücher