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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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gewöhnlich beendete der Waffenmeister seinen Unterricht mit einem Scheinkampf. »Wir nehmen das Sax und den Schild«, entschied er. Das Breitsax mit der kurzen Griffangel war eine Mehrzweckwaffe, sowohl für den Hieb als auch zum Zustoßen geeignet.
    Ohne besondere Aufforderung zog Gislher seine Brünne aus und legte Helm und Beinschienen beiseite. »Beweglichkeit ist alles in einem Kampf«, pflegte Hagen zu sagen. »Wenn du dich mit einer Brünne schützt, bedeutet das, dass du dir nicht vertraust. Das ist so gut, als würdest du dich von vornherein für verloren geben.«
    Die nackten Oberkörper der Kontrahenten glänzten in der Sonne, als sie sich gegenseitig belauerten. Wie Hagen es ihm beigebracht hatte, beobachtete der Junge seinen Lehrmeister auf der Suche nach einer Blöße. Er war fest entschlossen, ihn diesmal zu besiegen. Seit den Tagen, da er als Kind mit Stockfechten auf den Schwertkampf vorbereitet wurde, träumte er davon. Er bewunderte den Waffenmeister; ihm im Kampf überlegen zu sein, schien Gislher das erstrebenswerteste Ziel auf der Welt.
    Hagen stand breitbeinig, die Füße leicht auswärts gestellt. Seine Arme hingen entspannt an ihm herab, die rechte Hand umfasste locker den Griff des Schwertes, dessen Spitze auf den Boden zeigte. Sein gesundes Auge war eher beiläufig auf seinen Gegner gerichtet. Alles in allem bot er ein Bild der Selbstversunkenheit, doch Gislher ließ sich nicht täuschen. Er bemühte sich, es seinem Lehrer nachzutun und eine selbstbewusste Haltung einzunehmen, war dabei allerdings nicht sehr erfolgreich. Mehrmals zuckten seine Muskeln, weil das unerwartete Brüllen eines Ochsen ihn erschreckte oder ein Windstoß durch Hagens Haare fuhr und ihm Bewegung vorgaukelte, wo keine war.
    »Du hast alles vergessen, was ich dich gelehrt habe«, sagte Hagen verdrossen.
    Gislher spürte, wie er rot wurde. »Was meinst du?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte.
    »Du zappelst herum wie ein neugeborener Säugling. Dies ist kein Spiel. Konzentriere dich!«
    »Ich bin konzentriert.«
    Hagen beachtete seinen Einwand nicht. »Du hast den Kontakt zu deinem megin verloren.«
    Beschämt senkte Gislher den Kopf. Natürlich hatte sein Lehrmeister recht. Und wenn er im nächsten Jahr auf dem Thing als freier Mann und Krieger in den Kreis der Sippe aufgenommen werden wollte, tat er besser daran, auf ihn zu hören. Der Junge atmete tief durch und bemühte sich, die Anspannung loszulassen. Nach und nach lockerten sich seine Muskeln, der Druck in seinem Bauch ließ nach. Schließlich konnte er es wieder spüren, sein megin , die Kraft, die aus der Essenz seiner Seele gespeist wurde. Jetzt war er bereit.
    Unvermutet stürmte er vor und zielte auf Hagens Kopf. Der Waffenmeister blockte den Hieb mit einer sparsamen Bewegung ab, ohne seinerseits anzugreifen. Gislher trat nach dem ungeschützten Unterleib seines Lehrers, doch der stand längst an einer anderen Stelle, reglos, als habe er sich nicht gerührt. Er unternahm keinen Versuch, mit dem Schwert nach Gislhers Bein zu schlagen, aber der Niflunge wusste auch so, dass der Waffenmeister es gekonnt hätte. Hagens scheinbare Schutzlosigkeit hatte ihn verleitet, die Deckung aufzugeben. Es ärgerte Gislher, dass seine Reaktionen so vorhersehbar waren. Verbissen drang er auf seinen Lehrer ein und traf doch immer nur dessen Schild. Das war das Frustrierendste an einem Kampf mit Hagen: dass dieser seine wütenden Attacken mit spielerischer Leichtigkeit parierte. Es schien ihn nicht einmal außer Atem zu bringen. Wo Gislher mit dem Eifer eines Knaben auf ihn eindrosch, konterte Hagen mit der Kunst eines Schwertmeisters.
    Keuchend hielt der Niflunge inne und rang nach Atem. Das war der Moment, auf den Hagen gewartet hatte. Wie ein Gewitter kam er über den Jungen und hieb von links und rechts auf ihn ein. Gislher taumelte rückwärts und konnte die Schläge gerade noch mit seinem Schild abfangen, zu einem Gegenangriff sah er sich außerstande. Die Hiebe fielen so schnell, so hart und so präzise, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als immer weiter zurückzuweichen. Der Waffenmeister trieb ihn vor sich her wie ein Kaninchen. Gislhers linkes Handgelenk, das den hölzernen Rundschild hielt und die Wucht des Angriffs auffangen musste, schmerzte; jeden Stoß spürte er bis in die Schulter.
    Unvermittelt blieb Hagen stehen und gab Gislher, der noch zwei, drei Schritte weiter taumelte, Gelegenheit, sich wieder zu fangen. Das Gesicht des Jungen lief dunkelrot

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