Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
silberfarbener Schreibtisch, zwei Stühle, ein Schrank, der eine ganze Wand einnahm … und ein einziges Bett. Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. So wie es aussah, hatte ich dieses kleine Reich für mich allein.
»Tja, diese Räume sind alle recht urig«, begann Connor und stellte meinen Koffer neben das Bett. Er deutete hinter mich und ging auf einen dünnen Vorhang an der Wand zu. Als er ihn zur Seite zog, kamen dahinter eine Leiter und eine Nische zum Vorschein, in der man ein Bett und ein Nachttischchen untergebracht hatte. Die Decke war zwar ziemlich hoch, aufrecht stehen konnte man in diesem kleinen Schlupfloch aber trotzdem nicht. Es sah gemütlich aus – und bot auch ein kleines bisschen Privatsphäre –, aber mir war klar, was das hieß. »In einigen von den Zimmern haben wir diese Nischen. Ich lasse Sabine und dich dann mal selbst entscheiden, wer wo schläft.«
»Sabine?«
»Die ist schon vor einer Weile angekommen und dann gleich wieder losgezogen. Sie kommt aus …«, er warf einen Blick auf sein Klemmbrett, »Boston, wie es aussieht.«
»Sabine aus Boston«, wiederholte ich. So langsam wurde ich nervös.
»Gut, also, um halb acht im Gemeinschaftsraum«, sagte Connor und deutete auf mich. »In den Kommoden findet ihr ein Willkommenspaket für jeden von euch.«
»Verstanden.« Er öffnete die Schranktür, hinter der sich zwei identische silberfarbene Kommoden von der Größe eines Aktenschrankes verbargen. Außerdem stand dort auch ein Koffer mit dazu passender Tasche. »Danke.«
Auf dem Weg hinaus meinte Connor noch: »Sag Bescheid, wenn du irgendwas brauchst.« Lächelnd bedankte ich mich.
Dann begann ich, mich mit dem Zimmer vertraut zu machen, kletterte zu der Nische hoch, holte das Willkommenspaket hervor und sah in die Kommoden. Sabine hatte eine davon bereits in Beschlag genommen und ihre Kleidung in perfekt gefalteten Reihen eingeräumt. Als ich mich schwungvoll aufs Bett fallen ließ, um von dort aus den ganzen Raum zu überschauen, hörte ich etwas knistern. Ich warf einen Blick auf das Blatt Papier, das dort jemand hingelegt hatte:
Hi!
Ich bin Sabine, schön, dich kennenzulernen. Ein paar von uns sind losgezogen, um Beignets zu holen. Hier ist meine Nummer, falls du dich uns anschließen willst. Falls nicht, freu ich mich schon darauf, dich heute Abend zu sehen!
Deine Sabine
Sie hatte eine hübsche Handschrift mit lauter gleichmäßig runden Buchstaben, die an kleine Seifenblasen erinnerten. Ich dachte daran, die angegebene Nummer anzurufen, aber irgendetwas – Nervosität? – hielt mich zurück. Also machte ich mich stattdessen ans Auspacken.
3
Du wirst bald eine von uns
U m 19.25 Uhr kamen Dante und ich gleichzeitig aus unseren Zimmern, um uns auf den Weg ins knallbunte Wohnzimmer zu machen. Bei dem Gedanken an all das Neue, die vielen unbekannten Gesichter und daran, dass ich mich in dieser fremden Stadt zurechtfinden musste, wurde mir ein bisschen mulmig. Ich hatte – mal wieder – das Gefühl, mitten auf einem offenen Feld zu stehen und nur darauf zu warten, dass mich der Blitz traf. Ich war mir einfach nicht sicher, ob ich schon wieder imstande war, ihm auszuweichen und davonzulaufen.
Wie immer kam mir in diesem Moment Dante zu Hilfe und rüttelte mich aus meiner eigenartigen Stimmung auf. »Gern geschehen!«, bemerkte er unvermittelt, als er mein Outfit zu Gesicht bekam.
»Danke, Dante«, murmelte ich verlegen und breitete die hauchzarten Lagen des Rocks an meinem pflaumenfarbenen Chiffonkleid aus, um mich mit einem Knicks erkenntlich zu zeigen. So etwas hätte ich nie für mich selbst ausgesucht – es war tailliert, hatte Träger mit Strass und war über und über mit durchsichtigen Glitzersteinchen besetzt, die es schimmern und funkeln ließen. Natürlich war es viel zu mädchenhaft, aber irgendwie gefiel es mir trotzdem, als ich es nun erst einmal anhatte.
»Es war doch wohl klar, dass du das alte Ding vom Homecoming-Treffen nicht nochmal anziehen würdest, oder?« Er tadelte mich oft für meine Modeentscheidungen, und als unser Infopaket in Chicago eingetroffen war und auf die »halbformellen« Silvesterfeierlichkeiten hingewiesen hatte, hatte er mich zu einem Besuch im Einkaufszentrum genötigt. Jetzt trug er die lilafarbene Satinkrawatte von diesem Shopping-Ausflug.
»Bitte, für dich den Stylisten zu spielen ist für mich doch die beste Ablenkung vom, na ja, vom wahren Leben, du weißt schon«, sagte er leicht dahin, etwas an seinem Tonfall
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