Der Ruf des Bösen: Die Erleuchtete 2 - Roman (German Edition)
verriet mir jedoch, dass da unter der Oberfläche auch Angst lauerte. Er wuschelte mir durchs Haar. In dem Moment ging die Tür zu seinem Zimmer wieder auf.
»Hey«, sagte Lance. Er kramte in seiner Tasche herum. Wie Dante trug auch er einen dunklen Anzug, dazu allerdings eine Krawatte in diskretem Grau.
»Na ja, also die Schuhe habe ich ausgesucht. Ich trage sogar Absätze, die Füße sind also mein Verdienst!« Ich deutete auf meine Sandalen im Metall-Look.
»Ich hab dich von dem Silberton überzeugt, also gebührt mir ein Teil der Anerkennung«, witzelte Dante.
»Du kommst mir auch größer vor. Fünfeinhalb Zentimeter?«, kalkulierte Lance. So war er eben. Dann trat er einen Schritt vor und zog mich am Arm heran, so dass seine Lippen auf einer Höhe mit meinen Augen waren. Er hob das Kinn und ließ es auf meinem Scheitel ruhen. »Ja, das ist normalerweise einfacher.« Ich schob ihn spielerisch weg.
»Ihr Turteltäubchen. Früher oder später werde ich noch von euch aus meinem Zimmer verbannt.« Dante seufzte. »Federvieh bringt eben immer Probleme mit sich. So langsam fange ich an zu verstehen, wie Hitchcock auf die Idee mit seinem Horrorfilm gekommen ist.«
»Dan!« Ich rollte mit den Augen. Lance schien gar nicht zuzuhören. Er hatte sein neues Handy mit dem Monogramm herausgekramt und stellte mit gerunzelter Stirn fest, dass es immer noch nicht funktionierte.
Jetzt hörten wir Stimmen, und ich spürte, wie eine Welle von Anspannung über uns hinwegfegte und uns drei erstarren ließ.
»Immer noch keine Spur von deiner Mitbewohnerin?«, fragte Dante. Lance hatte inzwischen die Batterie und noch irgendetwas anderes aus seinem Handy geholt und betrachtete beides auf Augenhöhe. Er bemerkte meinen Blick, schüttelte einfach nur den Kopf und schob die Teile in die Tasche seiner leicht verknitterten Anzugjacke.
»Nein, noch nicht«, erwiderte ich nun. »Findet ihr es seltsam, dass ich richtig aufgeregt bin, weil ich sie gleich kennenlerne?« Sabine war den ganzen Tag nicht aufgetaucht, und inzwischen hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie nicht wenigstens angerufen und mich für ihre Einladung bedankt hatte – ihre Nachricht hatte so nett geklungen. Aber ehrlich gesagt war der Tag wie im Flug vergangen, erst hatten mich die tausend Kleinigkeiten in Anspruch genommen, mit denen man eine neue Unterkunft in sein Zuhause verwandelt, und dann hatte sich die Styling-Sitzung mit Dante ziemlich in die Länge gezogen.
»Mal ganz im Ernst, seltsam finde ich heutzutage rein gar nichts mehr«, beruhigte mich Lance. Wie recht er doch hatte!
»Jetzt werd mal locker, Hav!« Dante knetete mir die Schultern und klopfte mir auf den Rücken, als wir das Wohnzimmer erreichten.
Dort hatten sich unsere Hausgenossen bereits versammelt. Die Basketballspieler von vorhin plauderten zwanglos. Ich vermutete, dass sie aus derselben Schule kamen, genau wie wir drei. Andere – wie die Rothaarige, die jetzt ein jadegrünes Neckholder-Kleid trug – hockten mit steifem Rücken auf den schnittigen Sitzmöbeln, als hofften sie, mit dem Mobiliar zu verschmelzen und so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Sie schauten nach rechts und links und schienen sich zu fragen, ob sie wohl ein Gespräch anfangen oder lieber abwarten sollten, bis jemand anders den ersten Schritt machte. Wir drei nahmen einen Platz am Rand der Gruppe ein und lehnten uns an die Wand mit dem Fernseher. Bevor wir überhaupt die Gelegenheit zu einer Unterhaltung hatten, erklang aus dem Flur energisches Händeklatschen.
»Hallo, Team!«, rief Connor, der plötzlich mitten im Raum stand. Er hatte sich für einen Anzug mit Krawatte entschieden, trug die Jacke aber in der Hand und hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt, so dass man seine gebräunten Unterarme sah. »Die anderen müssen eben dort zu uns stoßen. Dann mal los!«
Die St.-Charles-Straßenbahn ratterte in der Mitte einer breiten Allee entlang. Hier und da hingen ein paar leuchtende Perlenketten in den Bäumen, die vermutlich noch von den MardiGras-Feiern des Vorjahrs stammten. Sie erinnerten mich an das Telefonat von vorhin, als ich Joan Bescheid gesagt hatte, dass wir gut in New Orleans angekommen waren. »Versprich mir, dass du nicht irgendetwas Verrücktes anstellst, nur damit dir jemand ein paar Plastikperlen zuwirft, okay?«, hatte sie gesagt. Ich hatte nur gelacht und ihr versichert, dass ich mich bisher noch nicht allzu wild aufgeführt hatte.
Dante schob sich auf die hölzerne Bank neben
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