Der Ruul-Konflikt 2: Nahende Finsternis
seine Lippen.
Kerrelak Augen bohrten sich in die Gestalt des Kriegsmeisters. Die Krallen an seinen Händen fuhren langsam heraus. Verstohlen sah er sich um. Sein erster Impuls war es, loszustürmen und die hagere Gestalt des alten Ruul niederzustrecken. Aber allein der Gedanke war schon Wahnsinn.
Die Wachen des Rats bestanden ausnahmslos aus Erel`kai. Sie waren diszipliniert und ihre Loyalität über jeden Zweifel erhaben. Sie würden ihn, ohne zu zögern niederstrecken, bevor er nur einen Meter weit kam.
Und da traf ihn die Erkenntnis wie ein Hammerschlag. Das war genau die Reaktion, die Orros erwartete. Sie kannten seinen Ehrgeiz und wollten, dass er sich vergaß. Sie wollten seinen Tod. Aber ihn hinzurichten würde die Ruul vielleicht entzweien und einige der niederen Stämme gegen den Kriegsmeister aufbringen. Jeder für sich war keine Bedrohung, aber wenn sie sich zusammenschlossen, konnten sie durchaus zu einer ernstzunehmenden Opposition zum karis-Stamm und seinen Verbündeten werden. Die Macht des Kriegsmeisters gründete darauf, dass den kleineren Stämmen dies niemals bewusst wurde.
Jedoch wenn Kerrelak vor dem Rat so provoziert wurde, dass er sich vergaß. Wenn er den Kriegsmeister angriff, würde jeder es verstehen, wenn die Erel`kai ihn töteten. Dann wäre er nur ein Versager, der die Beherrschung verloren hatte. Er sah sich erneut um. Es war ein Todesurteil. Und alle wussten es. Ob bewusst oder unbewusst, aber sie waren sich ausnahmslos völlig darüber im Klaren.
Nein, so würde es nicht enden. Diesen Gefallen würde er ihnen nicht tun.
»Ich danke dem Kriegsmeister und dem Rat für seine Nachsicht«, brachte er mühsam über die Lippen.
»Was?« Orros' Verwirrung war so komisch, dass es die Überwindung seines Stolzes beinahe wert gewesen war.
»Ich sagte, ich bedanke mich für eure Nachsicht«, wiederholte Kerrelak etwas lauter.
Schockierte Stille senkte sich über die Halle. Mit dieser Entwicklung hatte niemand gerechnet. Am allerwenigsten Orros und der Älteste der karis. Wenn Blicke töten könnten, so wäre Kerrelak auf der Stelle zu einem Häufchen Asche verbrannt.
Der Kriegsmeister und der Älteste der karis wechselten einen kurzen, aber sehr interessanten Blick. Orros' Blick hatte etwas Hilfesuchendes, während der Blick, der ihm darauf antwortete, nur Wut widerspiegelte und die Anweisung übermittelte, Orros solle die Situation gefälligst in den Griff bekommen. Aber das war gar nicht so einfach.
Der Kriegsmeister hatte Kerrelak quasi begnadigt. Als einzige Auflage musste der junge Krieger lediglich an Bord des Flaggschiffs bleiben. Orros hatte sich in seiner eigenen Falle gefangen. Er hatte keine Wahl, als den Dank zu akzeptieren und die Versammlung zu beenden.
Vor allem von den unteren Sitzreihen flogen Kerrelak bewundernde Blicke zu. Einige der Patriarchen nickten ihm offen ermunternd zu, was nicht gerade dabei half, Orros' Wut verrauchen zu lassen.
»Wie schön«, fauchte er. »Dann wäre die Angelegenheit damit erledigt. Kerrelak. Du darfst gehen. Aber denk daran, dass deine Bewegungsfreiheit auf dieses Schiff beschränkt bleibt. Wenn du es ohne unsere Erlaubnis verlässt, hast du dein Leben verwirkt.« Als wären die Worte eine versteckte Aufforderung gewesen, erhoben sich die versammelten Ruul und strebten dem Ausgang zu. Die Halle leerte sich zusehends. Nur einige Wenige fanden sich zu Grüppchen zusammen, um über die ungewöhnliche Sitzung und deren noch ungewöhnlicheren Ausgang zu diskutieren.
»Ich verstehe«, antwortete er wahrheitsgemäß. Er hatte tatsächlich so einiges verstanden. Sein Volk wurde von einer degenerierten, korrupten Elite angeführt, die sich selbst als das Maß aller Dinge betrachtete. Sie verstanden die nestral`avac nicht. Tatsächlich hatte er den Eindruck, sie verstanden nicht mal ihr eigenes Volk.
Sie dachten, dass nach den Jahrzehnten der Vorbereitung der Kampf gegen die Menschheit schnell gewonnen sein würde. Kerrelak war da anderer Meinung. Er hatte mehrmals gegen die Menschen gekämpft und war dabei zweimal knapp mit dem Leben davongekommen. Die Menschen würden bis zum letzten Atemzug kämpfen. Der bevorstehende Kampf würde lang und blutig werden. Und es würde jede Menge Gelegenheiten geben, sich wieder ins rechte Licht zu rücken. Kerrelak hatte heute eine wichtige Lektion gelernt.
Seinen Stolz zu schlucken, um am Leben zu bleiben und dafür an anderen Tagen kämpfen zu können. Eine Lektion, die er verinnerlichen würde. Er
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