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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Und es interessiert mich wirklich, Professor. Schließlich bin ich um die halbe Welt geflogen, um Ihre Fundstücke zu sehen.«
    Havilland zögerte noch immer, aber dann siegte wohl doch der Wissenschaftler in ihm, und der Besitzerstolz. Schon bei seinen ersten Worten spürte ich, wieviel Freude es ihm bereitete, seine Schätze vorzuzeigen.
    »Das meiste habe ich selbst ausgegraben«, sagte er. »Mit meinen eigenen Händen. Ganz hier in der Nähe«, sagte er.
    »Es war ein überraschender Fund, vor dreieinhalb Jahren. Die Meldung ist damals weltweit durch die Fachpresse gegangen.
    Sie haben sicher davon gehört.«
    »Sicher«, log ich. »Trotzdem, ich bin Laie, vergessen Sie das nicht. Zwar ein interessierter Laie, aber kein Spezialist.«
    Havilland zog eine Grimasse. »Hören Sie auf mit Spezialisten«, sagte er, in einer Art, die das Wort zu einer Beschimp-fung werden ließ. »Das sind die Schlimmsten. Sie ignorieren selbst die Wahrheit, wenn sie nicht in ihre vorgefertigten Konzepte paßt!«
    »Immerhin,«, wandte ich ein. »Ein Wikingerboot hier vor der Küste Mexikos …«
    Ich trat zögernd an das versteinerte Boot heran. Es war längst nicht mehr komplett, eigentlich war nur noch ein Teil des Buges mit dem geschnitzten Drachenkopf vorhanden.
    Aber es mußte einmal sehr groß gewesen sein, viel größer, als ich mir Wikingerschiffe vorgestellt hatte.
    »Haben Sie schon einmal den Namen Leif Erickson ge-hört?« fragte Havilland plötzlich. Ich nickte. »Natürlich. Der Wikinger, der schon vor Kolumbus die Neue Welt entdeckt hat.« Havilland nickte. In seinen Augen glitzerte ein begei-sterter Funke. »Bisher gab es keine schlüssigen Beweise dafür«, sagte er. »Nur die Vinland-Saga.«
    »Bisher?«
    »Bisher«, bestätigte Havilland. »Ich habe den endgültigen Beweis noch nicht, aber wenn sich mein Verdacht bestätigt, dann ist das hier«, er trat neben mich und ließ die Hand klatschend auf den versteinerten Rumpf des Bootes fallen,
    »das Boot, mit dem Leif Erickson vor über tausend Jahren von Norwegen aus den amerikanischen Kontinent erreichte.«
    »Dieses Boot?« Ich schrie fast, aber Havilland hielt mein Erschrecken auch diesmal noch für Überraschung. Dieses Boot? Aber das war doch … unmöglich!
    »Ganz recht, dieses Boot«, bestätigte Havilland. »Ich habe die letzten drei Jahre praktisch meine gesamte Zeit damit verbracht, meine Theorie zu beweisen. Und ich glaube, nun kann ich es.«
    Er sah mich triumphierend an. »Mr. Craven, meine Forschungen sind an ihren entscheidenden Punkt gelangt! In wenigen Tagen werde ich der ganzen Welt beweisen können, daß Leif Erickson vor tausend Jahren hier in Mexiko gelan-det und gestorben ist!«

    Ich hatte den Wecker auf acht Uhr gestellt, aber ich erwachte schon eine gute halbe Stunde vorher, was an sich kein Wunder war, denn ich hatte am Abend zuvor nicht einmal mehr das Essen abgewartet, sondern war noch vor sieben ins Bett gefallen. Trotz der frühen Stunde (Störungen vor elf Uhr vormittags pflege ich normalerweise als vorsätzliche Körper-verletzung zu betrachten), fühlte ich mich ausgeruht und frisch; fast dreizehn Stunden Schlaf hatten ihre Wirkung getan. Und es war seit langer Zeit die erste Nacht gewesen, in der ich nicht geträumt hatte; auf jeden Fall konnte ich mich nicht daran erinnern.
    Ich erinnerte mich schwach, daß Havilland das Frühstück für neun Uhr angekündigt hatte; ich blieb also noch ein wenig liegen, ehe ich in das kleine Badezimmer ging, um mich frisch zu machen. Dabei dachte ich voll Unbehagen an das Gespräch mit dem Professor, das mir bevorstand. Das heftige Schlagen meines schlechten Gewissens, das ich schon am vergangenen Abend verspürt hatte, war keineswegs schwächer geworden, und außerdem war mir klar, daß ich Havilland kaum weiter würde täuschen können. Ich hatte mir einige Grundbegriffe angelesen, auf dem Flug nach New York, aber das reichte vielleicht, um einen Laien zu täuschen, kaum eine Koryphäe wie Havilland. Er war schon gestern mißtrauisch geworden, das hatte ich genau gespürt, aber da hatte er mein Unwissen vielleicht auf meine Müdigkeit und die lange Reise geschoben. Heute würde diese Ausrede mit Sicherheit nicht mehr ziehen.
    Und ich wollte auch nicht mehr. Ich habe es stets verab-scheut zu lügen; erst recht Menschen gegenüber, die ich mochte. Und Havilland war mir auf Anhieb sympathisch gewesen. Ich würde ihm die Wahrheit sagen, jetzt gleich, während des Frühstücks. Und danach würden wir

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