Der Sandner und die Ringgeister
Schweigen.
»So wollen Sie mich reinlegen? Des sieht doch ein jeder, was des ist«, sagt der Fendt.
»Da wär ich mir selbst ned sicher. Ein jeder hätt des gwies ned behaupten können – Sie natürlich schon.«
Der Sandner holt noch ein Beutelchen hervor. »Was ich Ihnen gezeigt hab, war vom Ohrring eines Praktikanten, schauens, das andere Kügelchen, das echte, is ein wenig ...«
»Is des alles? Sie sollten im Zirkus auftreten? Was beweist des, frag ich Sie?«
Zirkus? Um Sandners Talente herzuleiten, müsste man eher von Rosstäuschern oder Hütchenspielern in seinem Stammbaum ausgehen. Das Kügelchen von Hansis Ohrring schiebt er in die rechte Hosentasche, sein Pendant aus der Rechtsmedizin, das die Wiesner beim Carport deponiert hatte, lässt er in die linke wandern. Der Fendt schnappt nach Luft. Er kennt sich nicht mehr aus. Hoffentlich hat er ein gesundes Herz, aber der Hauptkommissar will ihn ausschließlich verbal abbügeln.
»Sie ham das Prinzip ned verstanden, Fendt. Mir reicht es, wenn ich sicher bin, dass er in Ihrem Haus gestorben ist. Da wer ma dann alles finden, die Kontobewegungen von der Bank, Blut, DNS. Die Spusi tät selbst rausfinden, wenn Sie sich vor fünf Jahren geschnitten haben, beim Zwiebelhacken.«
»Das können Sie nicht. Is des mit Ihren Vorgesetzten abgedeckt, Sie Wahnsinniger? Einen Kopf kürzer machen die Sie, und ich applaudier! Sie kommen ned in mei Haus nei!«
In seinen Augen sieht der Polizist einen Anflug von Mut. Der Fendt scheint zu überlegen, wie er nach draußen kommt. Der Weg führte durch den Sandner durch. Die Beule in der Hose ist wohl sein Handy. Aber er greift nicht zu. Wenn er ihm bloß nicht um Hilfe plärrt. Der konfrontative Typ ist er nicht. Lieber hintenrum oder Notausgänge, als altes Weib verkleidet.
»Glaubens tatsächlich, Sie haben Freunde? Ich geh jetzt nei und erzähl denen alles und werf dazu das Kügelchen auf den Tisch und van Leydens Handy und Sie gleich dazu. Die Auerhammerin wird einen Spaß haben. Die Presse leckt sich die Lippen, und dann beißt sie Ihnen gierig nei ins Sackerl.«
Der Sandner wird ganz leise, flüstert.
»Wissens, was Ihre Freunderl sagen werden, die Speichellecker, die Stadträte, samt Minister Großkopf und von und zu? Fendt? Kenn ich nicht, den Namen, nie gehört. Ich werd Schupo, von mir aus auch Katzenklo, aber du bist richtig im Arsch, Freunderl. Dass wir uns verstehen, ich diskreditier dich, schopp dir die Integrität ins Maul zruck, bis du ein nackerter Wurm bist.«
Der Fendt sagt nichts. Mit der Stirn lehnt er an den Fliesen. Der Tumult vor der Tür wird lauter, ein Handgemenge scheint sich anzubahnen.
»Ein Tötungsdelikt bleibt bei uns auf dem Tisch, bis es geklärt ist. Die Akte verschwindet nie. N – i – e. Nie wird sie weggelegt, immer wird jemand auf der Jagd sein«, schiebt der Sandner nach.
»Sein Sie endlich still!« Die Schultern zucken, der Mann presst sich die Hände auf die Ohren.
Sein Jäger ist direkt hinter ihm. Er wittert teures Eau de Toilette und Schweiß.
»Ich persönlich könnt mir vorstellen, die Nacht ist einfach außer Kontrolle geraten«, wispert er dem nassen Nacken zu. Ein Schnauben bekommt er zur Antwort.
»Ich hab niemanden erschlagen. Ich ...«, setzt der Fendt leise an. Dumpf, die Lippen fast an der Wand.
Endlich.
Mit Wörtern hat der Sandner auf ihn eingeprügelt und auf den Lucky Punch gesetzt. Sich verausgabt. Nur Wörter. Hier ist er im Ring. Allein ist der Fendt, keiner da, der ihm hilft. Weit weg von der Behaglichkeit. Keiner, der ihm Wasser gibt, Zuspruch und Massagen. Es stinkt nach Pisse und Chlor.
Wenn du affektiv gemordet hast – upps, war nicht so gemeint –, ist die Schwellenangst gegenüber einem Beichtszenario nicht so ausgeprägt. Besonders, wenn du die Schuld noch großzügig verteilen kannst, wie Geburtstagstorte. Auf Empfang geht der Sandner, genug geredet.
»Rawhide« hallt plötzlich durch den Raum. Beide Männer fahren zusammen. Der intime Augenblick verpufft. Wiesners Nummer auf dem Display. Kruzifix! Was für ein Timing, Koitus interruptus. Der Sandner beißt die Zähne zusammen und geht ran. Sie wird ihm nicht den Wetterbericht erzählen wollen.
»Der Auerhammer hat im Präsidium angerufen. Er hätt die Janine gefunden. Dann war die Leitung unterbrochen.«
Der Sandner betrachtet den verschwitzten Rücken vor ihm.
Langsam dreht sich der Mann um. Er starrt den Polizisten an. Geplatzte Äderchen um die Pupillen, schweißnass, glühendes
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