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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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leicht gerötet, durchfeuchteter Reispuder befleckte ihre Wangen. Sie machte eine halbe Wendung und drückte auf die Klingel.
    »Achmed! Kaffee! Zigaretten!«
    Der Tonfall war vollkommen der alte.
    Der Eunuche brachte das Gewünschte; zwischendurch sahen die beiden sich an. In dem Gesicht der Seijide spiegelte sich noch bestürzte Schwäche. Als sie sich aber der Puderbüchse bediente, die sie in einem Krokodilledertäschchenan der Taille trug, war nichts mehr zu ergründen, was sie empfinden mochte. Sie trank das Täßchen hastig schlürfend leer und reichte ihm, sich zuvor selbst versorgend, die geöffnete Zigarettenschachtel. Der hellblaue strömende Rauch verwischte alles, was sich kurz zuvor ereignet, und durch diesen Rauch schimmerte ihr Gesicht wie eine wächserne Maske.
    »Ich will Ihnen helfen«, sagte die Maske. »Betonen Sie nicht, daß Sie nach Rache dürsten. Sie werden versuchen wollen, diesem jungen Beamten zu schaden ...?«
    »Schaden?! – Ruinieren will ich ihn! – Von Grund aus ruinieren!!«
    »Ich bitte Sie, Hassan-Muharram, schreien Sie nicht. Ich verstehe Ihre Erregung. Ich werde Sie verheiraten.«
    »Sie werden mich verheiraten ...?«
    »Sie sind beziehungslos. Mein Gott, Bei sind Sie ja geworden, und Geschäfte haben Sie auch gemacht. Aber das genügt nicht; Sie können Pascha werden und Ritter des Osmanije der Ersten, und man lächelt über Sie, betrinkt sich mit Ihnen, nennt Sie einen trefflichen Charakter, und tut im übrigen was man will. – – Was brauchen Sie? – Macht !« Sie beugte sich vor und sagte ganz leise: »Und Macht habe ich. Ich habe das Vermächtnis Abd-el-Gawads – lauter prächtige Indiskretionen, die Zinsen abwerfen ... Man wird mir nie etwas anhaben können; ich weiß zuviel.« Sie enthüllte den Halsschmuck. »Wissen Sie, was das ist? Das sind fünfhundert Feddân Baumwolle,verpfändet auf zwanzig Jahre! Ich will diese hübschen Sachen nur tragen, will nur, daß sie mir gehören. Ich werde sie vielleicht in meinem Testament den Leuten wieder zurückschenken dafür, daß sie Angst vor mir auszustehen hatten ihr Leben lang ... Glauben Sie, Sie sind nach langer, langer Zeit der einzige Mann, der dies Haus betreten hat ...«
    »Das ist bewundernswert, Madame!« sagte Hassan laut, mit ehrlichster Anteilnahme, und die Freude am Spiel wachte in ihm auf, nicht anders, als ob er und sie im Staube hockten und bunte Scherben zusammenfügten.
    »Sie werden durch Heiraten, die ich in Vorschlag bringe, in nächste Beziehung zu den höchsten Würdenträgern dieses Landes kommen. Das können Sie später ausnützen, um dem Engländer das Wasser abzugraben, der Sie beleidigt hat. Ehe Sie aber Schritte tun, kommen Sie zu mir. Wir machen dann eine kleine Verleumdung zurecht ... Er hat Sie einen Gauner genannt? Einen Dieb im großen?«
    »Er hat mich gepeinigt, solange ich denken kann.«
    In den Zügen der Frau zeigte sich zum erstenmal ein tieferes Interesse.
    »Wie das? Gepeinigt?«
    »Nun, Madame ...« Hassan mühte sich schwer um den Ausdruck, doch plötzlich schien ihm das alles so dunkel, fremd und unaussprechlich, daß er sich mit grauem Gesicht erhob und seine Zunge sich rührte wie Blei. »Was ist eine Beschimpfung? Es sprechen danoch andere Dinge mit ... Genügt es nicht,« sprach er heller und holte tief und gläubig Atem ... »genügt es nicht, daß ich ihn hasse ??« – – – – – – –
    Zwei gellende Schreie drangen tief aus dem Inneren des Hauses. Die Bauwabs im Garten hoben trunken die Köpfe, blinzelten, grinsten gedankenlos und sanken in den Nachmittagsschlaf zurück. In ihren trägen Hirnen entstanden angenehme und einlullende Bilder ...
    Die Sonne flammte. Die karge Fontäne plätscherte. Eine einsame Droschke pendelte die stille Gartenstraße herab. – – –
    Leiser scharfer Ton entsteht auf der Treppe, die vom Harem-Lik zum Gang herabführt. Ein Vorhang aus Perlenschnüren teilt sich, unmerkbar von einer zitternden, kleinen, runden Hand auseinandergeschoben, und dunkle Augen spähen hindurch, spähen in das verhangene Rauchzimmer und in die bunte Dämmerung des Parterregeschosses.
    » Ja salâm !« flüstert das junge Weib mit aufgerissenen Kinderaugen, und in die Perlenschnüre, die ihre Hand auseinanderhält, kommt ein feines Klirren.
    »Siehst du ihn?« haucht es in ihrem Rücken. Ein zweites junges Weib legt ihr Kinn auf ihre Schulter. Sie vereinen die Wangen, sie pressen sich aneinander wie zu einem einzigen Körper. Um möglichst wenig Geräusch zu

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