Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
Vom Netzwerk:
entleert, etwa wie die eines Ichneumons, den man im Dunklen mit einem Licht überraschend blendet.
    Die Dame rührte sich ein wenig.
    »Mir scheint, Hassan-Muharram, Sie haben ein Geschäft gemacht, dessen Ausgang Ihrem Geschmack nicht behagt.« Er sah sie noch eine Weile mit demselben leer grübelnden Ausdruck an, dann strich er sich mehrmals mit der Hand über den glatt angekämmten, lackschwarzen Scheitel.
    »Es ist etwas vorgefallen! – – – Es ... ist ... etwas ... vorgefallen ...!!« sagte er auf einmal mit einer heiseren, belegten Stimme.
    »Ah! Sie brauchen Geld.«
    »Nichts davon! – – – Was ist Geld!« – Er kam in Bewegung; er schüttelte beide Hände wie in äußerstem Erstaunen, und in der Platte des Mahagonitisches agierte das trübe Spiegelbild dieser erhobenen, hilflos gespreizten Hände ... plötzlich legte er sich halb über die Platte und stieß mit gleichsam bellendem Klangseine Worte hervor, einem Klang, der die Luft erschütterte, strotzend von empört fordernder fassungsloser Werbung, hingeschleudert vor das Rätsel, das dürre, widerliche Rätsel, das zwischen ihnen hockte mit hundert geschlossenen Augen ... »Sie fragen mich, Madame, ob ich Geld benötige! Aber es handelt sich um kein Geschäft! – – Ah, wenn es ein Geschäft wäre! Es würde sich regeln lassen! Wir würden das zusammen arrangieren! Wir hätten eine gute Hand darin!«
    Die Seijide ließ die Klangwellen dieser Entladung über sich ergehen, wartete gleichsam ab, bis das Gesprochene spurlos in der Vergangenheit versickerte. Nun kam eine frostige Stimme zum Vorschein, losgelöst und unpersönlich, wie aus einer Ecke heraus:
    »Sie wissen, daß Sie kein Interesse für Ihre Privaterlebnisse bei mir vorauszusetzen haben.«
    Seine Hände fielen mit aller Wucht auf den Tisch und blieben liegen wie tote Dinge, die ihm nicht gehörten. Die tiefbekümmerte, wulstige Stirn senkte sich langsam zwischen diese entseelten Finger. Die ganze Gestalt lag unbeholfen geknickt. Nur schwere Atemzüge brachten dann und wann eine Bewegung hervor.
    Die Seijide blieb reglos sitzen. Sie hatte sich etwas in den Stuhl zurückgezogen und lauschte. Ein leises Knirschen entstand zuweilen in einer verlorenen Falte ihres Gewandes.
    Eine Uhr tickte. Die lebensgroße Photographie des schwammigen, üppiguniformierten Herrn im Tarbusch beherrschte das ganze Zimmer ...
    Aus dem Bilde wuchs eine Last hervor.
    Diese Last lag auf dem gebeugten Nacken der Frau, schwer und wuchtig; sie konnte den Kopf kaum rühren.
    Diese Last lag auf dem wie gefällt zusammengesunkenen Körper Hassans.
    Endlich erhob er den Kopf wieder; sein Gesicht war grau und ausdrucklos. Er sagte:
    »Ich hätte immerhin darauf gerechnet, Madame, daß Sie sich eine Angelegenheit berichten lassen würden, die mich ohne meine Schuld kompromittiert. Aber ich muß wohl ganz davon absehen, in Ihnen meine Mutter zu sehen ... Lassen wir das also; es tut mir leid, daß ich Sie durch meine Fassungslosigkeit erschreckt habe ...«
    »Sie haben mich nicht erschreckt.«
    Hassan starrte auf das unbewegliche kleine Gesicht ihm gegenüber.
    »Um so besser, Madame ...«
    »Mein Lieber, ich war darauf vorbereitet, Sie in dieser Verfassung zu sehen. Sie empfinden sich als den unschuldigen Teil bei dieser Affäre. Ich kann Ihnen versichern, daß man korrekt gehandelt hat, als man Sie entfernte ...«
    Hassan sprang empor und sah sich verstört um, er machte den Eindruck eines Gehetzten.
    »Sie wissen bereits ...?«
    »Wenn man sich in solche Situationen begibt, wird nirgends prompter als hier dafür gesorgt, daß alleWelt davon Kenntnis nimmt. Daran ist nichts Verwunderliches. Sie wollten rauben, Hassan, doch sind Sie nicht der Mann. Jene, mit denen Sie zusammenstießen, sind dazu geeigneter ...«
    Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als er die Hände vor das veränderte Gesicht schlug und tiefe Schluchztöne hervorpreßte, wobei er zwei Schritte vorwärts und zwei nach rückwärts machte. Dann nahm er die Hände herab, und sich mit der rechten auf die Platte stützend, kam er um den Tisch herum.
    Vor ihr angelangt, ließ er die Hand vom Tische gleiten und sank mit einem dumpfen Schlag gegen den Teppich vor ihr auf den Boden. Seine Hände tasteten beschwörend nach ihrem Schoß, ohne ihn zu erreichen. Denn sie machte sich so klein, als sie konnte. Und auf die braunen Hände mit den rötlichen Nägeln starrend, die sie suchten, sagte sie ganz hoch mit gellender Stimme: »Kommen Sie mir nicht zu nahe! Was

Weitere Kostenlose Bücher