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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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wollen Sie? Was bedeutet diese Komödie?«
    »Helfen Sie! – Helfen Sie ...!« röchelte die Klage dumpf in der Nähe ihrer emporgezogenen Füße, an deren Schnallen Steine glitzerten. Der schwarze Scheitel kroch empor und berührte sie. Ein nervöser Krampf spannte ihren schmalen, mißhandelten Leib; und so konnte sie es nicht vermeiden, daß eines ihrer Knie heftig an seine Stirn traf. Es war kein weiches Knie, war keines, auf das man das Haupt legen und »Mutter!« sprechen konnte; es war ein mürbes Knie, knochig wie die Kante eines Bretts.Der Stoß traf ihn hart; und da er völlig unbeabsichtigt war, spürte sie ein schattenhaftes Bedauern, das jedoch weniger einer mitleidigen Regung entsprang als der Befürchtung, seine Zerrissenheit zu steigern und einer Szene Vorschub zu leisten, unter der auch ihre eigenen Nerven leiden würden. Deshalb rührte sie mit der Hand flüchtig an die Stelle, wo sie ihn gestoßen. Und wiewohl diese Berührung kaum zu empfinden war, schien sie ihn wie ein elektrischer Schlag zu treffen. Ah! Die Hand seiner Mutter hatte ihn gestreift! Die zarte Wärme dieser Hand löschte mit einem Male alles hinweg, was in ihm haften geblieben war an Groll, Bestürzung und verletztem Instinkt; die kleine Wärme wuchs zu einem ruhigen Strom von lau verlockender Güte, die ihn umhüllte ... Oh, nächstes Geblüt, was wirkt dein Strom!
    Als ob er es nicht glauben können, was ihm soeben widerfahren: so hob er den Kopf, und sein Gesicht war verschönt durch eine heimliche Spannung, die all den stumpfen Ausdruck abschied und durch ein leicht besinnliches Lächeln ersetzte, das jenem alten Knabenlächeln verwandt war – – dem Lächeln jener Zeit, da ihm im Traum aus dem Raunen der Weizengrannen gesellige und schuldlose Geister lispelten, da er den Traum der Sonne träumte; dem Lächeln der Kreatur, die ohne Gedanken empfängt, was ihr zusteht, und von sich weist, was die Erfüllung hindert. Dies Lächeln blühte aus fast gänzlich zerstörtem, verwüstetem und verderbtem Grund empor; blühte aus verlorenem Keim,der noch irgendwo einer kargen Entfaltung geharrt ... Dem letzten vielleicht, der noch zu erwecken war.
    Die Seijide sah, was vor sich ging; sah die plötzliche Dämpfung, diese wunderliche Verwandlung in wenigen Sekunden ... Aber die Last war zu groß.
    In diesem Augenblick geriet ihr Inneres in eine Wallung, so maßlos heftig, daß sich wiederum ihr Körper in einer ziellosen Schlangenlinie wand und sie auf dem Stuhl in einer Stellung verblieb, die einer erstarrten Verrenkung glich. Ihr unterdrücktes und geknebeltes Gefühl wuchs empor in verzweifeltem Wachstum, und eine kurze Lähmung überkam sie; es war ihr unmöglich, das Lächeln zu erwidern und so recht aus der Tiefe hervor das Wort »Sohn« zu schöpfen. Sie starrte in die schwarzen Augen, von denen ein Strom unablässig auf sie überging; aber ihr Blick ward nicht frei, sondern mühte sich, mühte sich ...
    So blieben ihre Augen entsetzt und hilflos. So vermochten die großen Pupillen nicht standzuhalten, sondern irrten umher, als versuchten sie zu entfliehen und irgendwo bei heiteren Dingen zu Gaste zu gehen ... Dies dauerte nicht lang, dann kroch ihr Gesicht in den Schleier zurück und hob sich zuckend darin auf und ab. Sie saß mit versteckten Händen wie eine Gefesselte. Das schwarze Kleid umbauschte sie völlig, nur der eine Fuß mit unendlich zierlichen Knöcheln hing unten hervor, und das gedämpfte Licht sammelte sich funkelnd in der Schnalle. Der Fuß pendelte, von denErschütterungen des Körpers bewegt, sacht hin und her wie eine kleine Wiege.
    Hassan nahm ihn sehr vorsichtig zwischen die gehöhlten Hände, beugte sich nieder und küßte ihn rasch mehrmals hintereinander. Er befühlte den geschweiften inkrustierten Hacken des Schuhes mit einer stumm geschäftigen und nachdrücklichen Ehrfurcht, wie man eine Reliquie berührt. Ja, dies ganze Geschöpf hatte den Charakter höchster Verfeinerung; es war ein zartes Reis aus dem Blute des Mannes, der ehedem im grünen Mantel durch seinen Knabentraum gegangen war ...
    Dann stand Hassan auf und setzte sich wieder auf den Stuhl, den er verlassen. Nach einer Weile sagte er leise und zutraulich, mit einer Stimme, die von Überzeugung ganz gesättigt war und nicht im geringsten mehr bebte:
    »Meine Mutter, ich weiß, Sie werden mir helfen.«
    Sehr rasch richtete sich die Seijide wieder auf. Ihr Gesicht enthüllte sich. Sie sah mit verkniffenen Augen zu ihm herüber. Ihre Lider waren

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