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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Nacht tapfer gekämpft, die Hochlords. Ich habe doch tatsächlich gesehen...« Er ließ die Worte verklingen, als die Frauen wieder an ihre Mops sprangen und die Männer die Kiste hochwuchteten und wegtrugen.
    »Ich kann auch für einen Gaukler Arbeit finden«, sagte die Stimme der Majhere hinter ihm. »Müßige Hände sind müßige Hände.« Er wandte sich mit eleganter Bewegung um, wenn man sein steifes Bein mißachtete, und verbeugte sich tief vor ihr. Ihr Haarschopf befand sich noch unterhalb seiner Schultern, doch sie wog wahrscheinlich um die Hälfte mehr als er. Sie hatte ein Gesicht wie ein Amboß. Ihr Aussehen wurde auch durch die Bandage um ihre Schläfen nicht verbessert: Doppelkinn und tiefliegende Augen, die wie Splitter von schwarzem Feuerstein wirkten. »Einen schönen guten Morgen, verehrte Dame. Ein kleiner Vorgeschmack auf diesen frischen, neuen Tag gefällig?« Er bewegte geschickt und äußerst schnell die Hände, und dann hielt er plötzlich eine kleine, goldgelbe Blume darin, die nur ganz wenig gerupft aussah, trotz der Zeit, die sie in seinem Ärmel verbracht hatte, und die steckte er ihr ins graue Haar über der Bandage. Sie zog die Blume natürlich gleich wieder heraus und betrachtete sie mißtrauisch, aber das war es gerade, was er erreichen wollte. Im Augenblick ihres Zögerns machte er drei lange, wenn auch humpelnde Schritte, und als sie ihm noch etwas hinterherschrie, hörte er bereits nicht mehr darauf und war weg.
    Furchtbare Frau, dachte er. Wenn wir sie auf die Trollocs losgelassen hätten, dann würden sie jetzt samt und sonders fegen und putzen.
    Er hielt sich die Hand vor und gähnte mit knackendem Kiefer. Er war einfach zu alt für so etwas. Er war müde, und sein Knie schmerzte ziemlich stark. Nächte ohne Schlaf, Kämpfe, Intrigen. Zu alt. Er sollte eigentlich ein ruhiges Leben irgendwo auf einem Bauernhof führen. Mit Hühnern. Auf Bauernhöfen gab es immer Hühner. Und Schafe. Es konnte nicht schwer sein, sie zu hüten. Schafhirten schienen immer herumzulümmeln und Flöte zu spielen. Er würde natürlich Harfe spielen und nicht Flöte. Oder vielleicht doch; Wind und Wetter taten einer Harfe nicht gut. Und in der Nähe würde es eine kleine Stadt geben mit einer Schenke, und dort könnte er die Gäste im Schankraum mit ein paar Kunststücken erfreuen. Er schwang seinen Umhang, als er an zwei Dienern vorbeikam. Der einzige Sinn darin, ihn bei dieser Hitze zu tragen, war der, die Leute wissen zu lassen, daß er ein Gaukler sei. Ihre Mienen erhellten sich bei seinem Anblick regelmäßig, und sie hofften natürlich, daß er sich einen Moment Zeit nehmen werde, um sie zu unterhalten. Das war sehr erfreulich. Ja, ein Bauernhof hatte seine Vorteile. Ein ruhiger Ort. Keine Leute, die ihn belästigten. Solange sich in der Nähe eine Stadt befand.
    Er drückte die Tür zu seinem Zimmer auf und blieb wie angewurzelt stehen. Moiraine richtete sich so selbstverständlich auf, als habe sie jedes Recht, die auf seinem Tisch verstreuten Papiere durchzugehen. Dann richtete sie seelenruhig ihren Rock und setzte sich auf den Hocker. Das war nun eine wirklich schöne Frau, so elegant und graziös, wie sie sich ein Mann nur wünschen konnte, und sie lachte sogar über seine Scherze und Kunststücke. Narr! Alter Narr! Sie ist eine Aes Sedai, und du bist zu müde, um noch klar zu denken.
    »Guten Morgen, Moiraine Sedai«, sagte er und hängte seinen Umhang an einen Haken. Er vermied es, seinen Kasten mit den Schreibutensilien anzusehen, der noch immer unter dem Tisch stand, wie er ihn zurückgelassen hatte. Er wollte sie ja nicht wissen lassen, daß der wichtig war. Es war wahrscheinlich auch sinnlos nachzuschauen, wenn sie wieder weg war. Sie konnte das Schloß mit Hilfe der Macht geöffnet und wieder geschlossen haben, und er würde keinen Unterschied bemerken. So erschöpft wie er war, wußte er noch nicht einmal mit Sicherheit, ob er etwas Verdächtiges darin hinterlassen hatte oder irgendwo anders. Alles, was er sah, befand sich genau dort, wo es hingehörte. Er glaubte auch nicht, daß er so dumm gewesen war, irgend etwas liegenzulassen. Die Türen in den Quartieren der Diener hatten keine Schlösser oder Riegel. »Ich würde Euch gern ein erfrischendes Getränk anbieten, aber ich fürchte, ich habe nichts als Wasser.« »Ich habe keinen Durst«, sagte sie mit ihrer angenehmen, melodiösen Stimme. Sie beugte sich vor, und da das Zimmer klein war, reichte es, daß sie ihm eine Hand auf das

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