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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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starben? Aber sie wußte, daß es so sein würde. Sie war ganz sicher.
    »Ich habe das Recht, mit der Amyrlin persönlich zu sprechen.« Es war ein Recht, auf das selten jemand bestand - wer wagte das schon -, aber es existierte. »Jede Frau hat dieses Recht, und ich bestehe darauf.« »Glaubt Ihr, daß die Amyrlin persönlich mit allen sprechen kann, die zur Weißen Burg kommen? Sicher kann Euch auch eine andere Aes Sedai helfen.« Faolain betonte die Titel so, als könne allein ihr Klang Min von ihrem Vorhaben abbringen. »Nun sagt mir, worum es Euch geht. Und nennt mir Euren Namen, damit die Novizin weiß, wen sie holen muß.« »Ich heiße... Elmindreda.« Min zuckte dabei innerlich unwillkürlich zusammen. Sie hatte diesen Namen immer gehaßt, aber die Amyrlin war einer der wenigen lebenden Menschen, die ihn schon einmal gehört hatten. Wenn sie sich nur daran erinnerte. »Ich habe das Recht, mit der Amyrlin zu sprechen. Und meine Frage ist allein für ihre Ohren bestimmt. Das Recht habe ich.« Die Aufgenommene zog die Augenbrauen hoch. »Elmindreda?« Ihr Mund zuckte, und sie lächelte ganz leicht und amüsiert. »Und Ihr besteht auf Euren Rechten. Nun gut. Ich werde der Behüterin der Chronik mitteilen lassen, daß Ihr die Amyrlin persönlich zu sprechen wünscht, Elmindreda.« Min hätte der Frau am liebsten eine Ohrfeige verpaßt, so, wie sie den Namen ›Elmindreda‹ betonte, aber statt dessen zwang sie sich zu einem gemurmelten »Dankeschön«.
    »Dankt mir noch nicht. Zweifellos wird es Stunden dauern, bis die Behüterin die Zeit findet, Euch zu antworten, und sicherlich wird sie Euch mitteilen lassen, daß Ihr Eure Frage bei der nächsten öffentlichen Audienz stellen sollt. Wartet nur geduldig. Elmindreda.« Sie lächelte Min beinahe spöttisch an und wandte sich ab.
    Min biß die Zähne aufeinander und ging mit ihrem Bündel hinüber zur Wand, wo sie sich bemühte, zwischen zwei Bögen möglichst wenig aufzufallen. Traue niemandem und vermeide alle Aufmerksamkeit, bevor du die Amyrlin erreichst. Das hatte ihr Moiraine noch mitgegeben. Moiraine war die einzige Aes Sedai, der sie Vertrauen schenkte. Meistens jedenfalls. Es war so oder so ein guter Ratschlag gewesen. Sie mußte lediglich bis zur Amyrlin kommen, und dann war es vorbei. Sie konnte dann wieder ihre eigene Kleidung anlegen, ihre Freundinnen begrüßen und davonreiten. Kein Grund mehr, sich zu verstecken.
    Sie war erleichtert, als sie bemerkte, daß die Aes Sedai gegangen waren. Drei Aes Sedai, die am gleichen Tag sterben würden. Das war unmöglich; sie fand kein anderes Wort. Und doch würde es so geschehen. Nichts, was sie sagte oder unternahm, konnte daran etwas ändern. Sobald ihr klar war, was ein Bild bedeutete, geschah es auch so. Aber sie mußte der Amyrlin davon berichten. Das konnte möglicherweise, auch wenn das fast unvorstellbar war, genauso wichtig sein wie die Botschaft, die sie von Moiraine überbrachte.
    Eine weitere Aufgenommene erschien, um eine der Anwesenden abzulösen, und in Mins Augen schwebten vor ihrem blühenden Gesicht Gitterstäbe wie die eines Käfigs. Sheriam, die Oberin der Novizinnen, betrat die Halle. Nach einem kurzen Blick begann Min, den Boden vor ihren Füßen angeregt zu mustern. Sheriam kannte sie nur zu gut - und das Gesicht der rothaarigen Aes Sedai war verschrammt und verschwollen. Natürlich war das wieder eine ihrer Visionen, aber Min mußte sich auf die Unterlippe beißen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Sheriam mit ihrer ruhigen Autorität und Selbstsicherheit erschien immer so unzerstörbar wie die Burg. Offenbar nichts konnte Sheriam etwas anhaben. Aber irgend etwas würde ihr doch zustoßen.
    Eine Aes Sedai, die Min nicht kannte und die eine Stola der Braunen Ajah trug, begleitete eine stämmige, in feine rote Wolle gekleidete Frau zum Ausgang. Die stämmige Frau schritt leichtfüßig wie ein Mädchen einher. Ihr Gesicht strahlte. Sie lachte beinahe vor Freude. Auch die Braune Schwester lächelte, doch ihre Aura verlosch wie die Flamme einer Kerze.
    Tod. Verwundungen, Gefangenschaft und Tod. Min erschien das so klar, als hätte sie es geschrieben vor sich stehen.
    Sie blickte auf ihre Füße hinunter; sie wollte einfach nicht noch mehr sehen. Wenn sie sich bloß erinnert, dachte sie. Auf ihrem langen Ritt von den Verschleierten Bergen hatte sie niemals Verzweiflung empfunden, nicht einmal dann, als jemand versucht hatte, ihr Pferd zu stehlen, doch jetzt war es soweit. Licht, wenn sie sich

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