Der Schatten im Norden
gemacht,
Charlie. Bellmann will sich also beweiben. Und gleich
mit so einem hübschen Mädchen... Hol's der Teufel. «
Und er griff nach Mantel und Hut und ging davon, Sally
kümmerte sich einen Vormittag pro Woche um die
Geschäfte von Garland & Lockhart. Sie warf dann stets
einen Blick in die Bücher und sprach mit Webster und
Mr. Blaine über die weitere Entwicklung der Firma.
Heute Morgen war sie mit der Erwartung
hereingekommen, auch Frederick anzutreffen, da Mr.
Blaine über weiteren Raumbedarf gesprochen hatte und
auf Unterstützung durch Frederick hoffte. »Es ist so,
Miss Lockhart«, begann Mr. Blaine, als sie am
Ladentisch standen, »ich glaube schon, dass wir eine
Buchhaltungshilfe brauchten, aber, wie Sie sicherlich
bemerkt haben, ist der Raum hier sehr knapp. Ich weiß
auch nicht, ob im neuen Atelier noch Platz frei ist... «
»Bestimmt nicht«, entgegnete Webster entschieden.
»Tatsächlich frage ich mich, ob das Atelier überhaupt
groß genug sein wird. « »Wie weit sind die Arbeiten
gekommen?«, fragte Sally. »Schau es dir einmal an,
Sally«, sagte Webster. »Haben Sie Zeit, Charles?«
Charles Bertram ging mit ihnen in den Hof hinter dem
Laden. Das neue Ateliergebäude war fast fertig. Das
Dach war eingedeckt, und zwei Gipser arbeiteten an der
Außenwand, nur die Fenster hatten noch keine
Verglasung. Die Gruppe suchte sich einen Weg zwischen
Brettern, Leitern und Schubkarren und stellte sich dann
auf neu verlegte Dielenbretter.
»Ich frage mich«, sagte Webster, »ob wir hier genügend
Platz für die fahrbare Kamera haben. Das ginge nur,
wenn wir die Schienen u-förmig verlegen würden, aber
dann wären die Lichtverhältnisse nicht konstant. Es sei
denn, wir streichen den Raum schwarz an und benutzen
Kunstlicht. Aber die Emulsion auf den fotografischen
Platten wäre nicht empfindlich genug für die
Belichtungszeit, die wir hier benutzen wollen... «
Charles sah Sallys Miene und schlug vor: »Da gibt es
eine Lösung. Der Bau ist verwandlungsfähig. Im Laden
ist nicht genug Platz für alles, was wir zurzeit machen.
Miss Renshaw könnte zweimal so viel Aufträge
annehmen, wenn wir mehr Atelierkapazität hätten.
Warum ziehen wir nicht einfach eine Wand hier durch ---
eine dünne Trennwand würde genügen - und erhalten ein
besseres Atelier und zusätzlich Büroraum für Mr. Blaine?
Webster hat ganz Recht -eine Kamera auf Schienen
bringen wir hier nicht unter. Es war töricht von uns, das
überhaupt anzunehmen. «
»Aber ihr hättet doch wissen müssen... «, warf Sally ein.
»Wozu habt ihr den Bau überhaupt angefangen, wenn er
sowieso zu klein ist?«
Die beiden Männer sahen sich betreten an. »Am Anfang
war er es nicht«, erklärte Webster. »Aber damals dachten
wir noch nicht an eine Kamera auf Schienen. Uns
schwebte eine feste Kamera vor, eine mit einer
Vorrichtung zum schnellen Plattenwechsel. Dafür wäre
genug Platz vorhanden gewesen. Und da liegt die
Zukunft - bei einer einzelnen Kamera. Dann wäre auch
das Geld nicht zum Fenster hinausgeworfen. «
»Ich vermute, ihr werdet als Nächstes ein Feld auf dem
Land kaufen«, mokierte sich Sally. »Ihr seid nicht besser
als Frederick. Wo steckt er übrigens?«
»Er ist zum Atelier Elliott & Fry gegangen«, sagte
Charles. »Dieser Mister Bellmann will heiraten, und das
Fotografenteam soll sein Verlobungsbild aufnehmen. «
»Der und heiraten?«, sagte sie erstaunt. Der Gedanke,
dass der Mann, den sie in Baltic House kennen gelernt
hatte, heiraten könnte, schien ihr so abwegig, dass sie es
sich nur schwer vorstellen konnte. »Die Idee mit dem
Feld... «, begann Webster, der sich für Bellmann
überhaupt nicht interessierte. »Was halst du davon,
Charles? Wir müssten eine Mauer bauen und die
Schienen genau parallel zu ihr verlegen, nach Süden. Wir
könnten sie so lang machen, wie wir es gerade brauchten.
Vielleicht mit einem Glasdach als Wetterschutz... «
»Jetzt noch nicht«, warf Sally ein. »Dafür ist kein Geld
da. Lasst erst einmal das Atelier fertig sein und verdient
damit so viel Geld, wie ihr es erhofft, dann sehen wir
weiter. Mr. Blaine, wie es aussieht, bekommen Sie Ihren
Büroraum. Brauchen Sie eine ganze Kraft oder würde
eine Hilfe am Vormittag genügen?«
Die Kamera auf Schienen, von der Webster sprach, war
seine Erfindung, die er einer Idee des Fotografen
Muybridge verdankte. Bisher existierte sie nur auf dem
Papier, da noch der Platz fehlte, um sie zu konstruieren.
Das Ganze bestand tatsächlich aus einer Batterie
Weitere Kostenlose Bücher