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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Mittagsstunde die Stadt heimsuchten. Tormon konnte sich kaum entscheiden, welchen Tod er ihm lieber wünschte. Lebendig zu verbrennen musste ein grauenvolles Ende sein – andererseits dürfte das Holz von der feuchten Witterung sehr geraucht haben, sodass Zavahl sicher erstickt war, bevor ihm die Haut versengt wurde. Vielleicht waren doch die Eindringlinge aus der Luft die bessere Wahl. Er stellte sich vor, wie der Hierarch sich am Pfahl schreiend hin und her warf, wie ihm die barbarischen Kreaturen den Leib aufschlitzten und er auf seine blutigen Gedärme herabsah, bevor ihm die Augen herausgerissen wurden …
    Früher wäre Tormon bei so blutrünstigen Rachegedanken bis ins Mark erschüttert gewesen. Doch jetzt nicht mehr.
    Inzwischen wurde es bereits dunkel. Der Schlamm spritzte unter den Hufen der Pferde. Tormon blickte stur geradeaus, solange sie zwischen den Scheiterhaufen hindurchritten. Die schwelende Glut warf einen schwachen Schein in die rauchige Luft. Die verkohlten Leichen waren mit grauenhafter Deutlichkeit zu erkennen. Er versuchte Annas vor dem Anblick zu bewahren, indem er ihr Gesicht an sein Wams drückte und das Laken wie einen Schild vor ihren Kopf hielt.
    Ein dunkler Reiter holte neben ihm auf. Es war die Dame Seriema, die seinen zweiten großen Rappen ritt. Tormon war so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er die Gefährten beinahe vergessen hätte: Presvel, Seriemas Diener, der in seiner feinen Stadtkleidung fror, und die für eine solche Reise ebenso ungeeignet war wie sein Umhang, ein ihm unbekanntes junges Mädchen mit hellblonden Locken, das zusammen mit Presvel auf dem Pferd saß, Scall, der schlaksige Junge, der sich Tormon auf Gedeih und Verderb angeschlossen hatte, und natürlich Seriema, die bis zu diesem Tag die mächtigste Handelsfrau von Tiarond gewesen war.
    Die Frau, die nun zu ihm aufschloss, war blutverschmiert und mit Schlamm bespritzt, und hässliche blaue Flecke verschandelten ihr blasses Gesicht. Ihr kräftiges, braunes Haar wehte lose im Wind und war zerzaust wie ein Hexenknäuel. Die sonst so tadellos und reich gekleidete Vorsitzende des Händlerbunds und des Bergbaukonsortiums war nicht wiederzuerkennen. Doch ihr ungepflegter Zustand konnte kaum überraschen. Vor kaum einer Stunde war sie in ihrem eigenen Haus von einem Verrückten angegriffen worden, der sie geschlagen und beinahe geschändet hatte. Gleichzeitig war ihre Stadt von beutegierigen Ungeheuern aus der Luft angegriffen worden. Die Dame hatte Heim und Reichtum zurückgelassen, Rang und Machtbereich waren fürs Erste verloren. Allein ihr Leben hatte sie gerettet, und ihren unbeugsamen Stolz, wie Tormon bemerkte, der ihre kerzengerade Haltung, den harten Blick und den grimmigen Zug um ihren Mund betrachtete. Obwohl er solche Entschlossenheit achtete, hegte er ihretwegen gewisse Befürchtungen. Sie hatte sich selbst völlig in der Gewalt, genau wie das prachtvolle Pferd, das sie ritt, aber welche Anstrengung musste es sie kosten! Tormon fröstelte.
    Seriema lenkte ihr Pferd nah an seines und beugte sich ein wenig zu ihm herüber, damit der auffrischende Wind ihre Stimme nicht davontrüge. Tormon konnte die Frage bereits auf ihren Lippen lesen.
    Ach, bitte, Seriema, frage mich nicht, was wir jetzt tun werden. Warum sollte ich das leichter beantworten können als du?
    »Wohin reiten wir, Tormon?« Ihre Stimme verriet keinerlei Anspannung. Sie klang nur ein wenig undeutlich wegen der geschwollenen Lippe. »Hast du dir einen Plan ausgedacht?«
    Warum in Myrials Namen sollte ausgerechnet ich mit einem Plan aufwarten können?
    Bis zu diesem Augenblick hatte er sich nur damit befasst, was er nicht wollte. Tiarond wollte er nie wieder sehen. Sein Kind wollte er nie wieder in Gefahr bringen, und er verspürte nicht das geringste Verlangen, die mörderischen Bestien noch einmal zu sehen. Soweit lauter vernünftige Ziele, aber es hatte erst Seriemas bedurft, um ihn zu ermahnen, dass es dem gegenüber etwas zu unternehmen galt.
    Fort. Nur weit fort von hier. Alles andere hatte Zeit. In diesem Augenblick war Tormons einziger Wunsch, so viel Abstand wie nur möglich zwischen sich und Callisioras Hauptstadt zu bringen, fort von ihrem Machtgebahren, ihren unbegreiflichen Zeremonien, ihren finsteren Geheimnissen und Ränken – und von ihrem Hierarchen, der so weit ging, eine junge Frau und Mutter kaltblütig ermorden zu lassen. Tormon hoffte, dass es auch im Gebirge regnete und somit der Schnee auf dem Pass

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