Der Schattengaenger
anfangen. Wieso diesmal? Und wieso Stalker?
»Meine Mutter hat angerufen. Sie wird seit Kurzem belästigt. Von einem durchgeknallten Fan. Deshalb macht sie so urplötzlich diese Reise. Und Tilos Unfall ist weder auf einen Vollrausch zurückzuführen, noch darauf, dass meine Mutter ihn für einen Einbrecher gehalten hat - sie hat schlichtweg geglaubt, er wäre dieser Stalker, verstehst du?«
»Ein Stalker?«, fragte Merle. »Jemand, den sie kennt?«
»Nein. Sie hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet, der Kommissar ermittelt, aber es ist noch nichts dabei herausgekommen. Wie denn auch? Anonym kannst du jeden fertigmachen. Du musst nur deine Spuren gründlich verwischen.«
»Das Übliche?«, fragte Merle. »Oder ist er gefährlich?«
»Eher die gefährliche Sorte. Er schickt ihr nicht nur Mails und Briefe, er ruft sie auch an. Und er beobachtet sie. An dem Abend, als meine Mutter Tilo niedergeschlagen hat, war der Typ in ihrem Garten und hat alles mitangesehen.«
»Heilige Scheiße!« Merle verstand jetzt, was Jette gemeint hatte.
Wieder waren sie in etwas hineingeraten, das aus dem Ruder laufen konnte.
Jette drehte den Kopf und schaute sie an. In ihren Augen konnte Merle tiefes Erstaunen erkennen.
»Das ist doch nicht möglich«, sagte Jette leise. »Wir können doch nicht schon wieder in so was verwickelt werden. Jetzt wo es endlich ruhig geworden ist, wo Mike und Ilka bald aus Brasilien zurückkommen, Mina mit ihrer Therapie Fortschritte macht und wir uns hier alle zusammen einrichten wollen. Bitte sag mir, dass ich den Anruf meiner Mutter nur geträumt habe.«
»Stalker gibt es wie Sand am Meer.« Merle tätschelte Jettes Knie. »Das ist ja schon fast ein Volkssport geworden. Ein Fan ist hingerissen von den Büchern deiner Mutter und will ein bisschen Kontakt. Das verläuft sich auch wieder, du wirst sehen.«
»Und wenn nicht?«
»Komm jetzt.« Merle stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. »Claudio muss gleich hier sein. Er bringt Pizza mit.«
Widerstrebend ließ Jette sich hochziehen. Sie verließen den Stall und gingen Hand in Hand zum Haus zurück. Es war dunkel und der Himmel stand voller Sterne.
»Guck mal.« Merle legte staunend den Kopf in den Nacken. »Hast du je einen so klaren Sternenhimmel gesehen?«
»Nie.«
Andächtig betrachteten sie die Sterne, und Merle wünschte sich von ganzem Herzen eine Sternschnuppe, um einen Wunsch loszuwerden. Doch der Himmel tat ihr den Gefallen nicht. Er blieb, wie er war, schwarz und still und von Sternen gesprenkelt.
Kapitel 10
Allmählich bekam Manuel Stress mit dem Boss. Er, der sonst so viel auf Pünktlichkeit und gewissenhaftes Arbeiten gab, war in letzter Zeit mehrfach zu spät gekommen. Es machte ihm Mühe, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, und er hatte mehrmals Pfusch abgeliefert. Erst vor ein paar Tagen hatten sie den Wagen eines Kunden in die Werkstatt zurückrufen müssen, weil Manuel falsche Schrauben für die Reifen verwendet hatte.
»Pass auf«, hatte Ellen ihm neulich zugeflüstert. »Alex steht unter Strom. Du solltest ihn besser nicht reizen.«
Manuel wusste, dass er sich auf Ellens Loyalität verlassen konnte. Er wusste auch, dass sie ihn nicht ohne triftigen Grund warnte. Wenn sie sich so weit aus dem Fenster lehnte, dann standen die Zeichen auf Sturm.
Der Boss machte krumme Geschäfte. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern, aber Manuel hatte sich nie für Details interessiert. Womit Alex sich die Finger schmutzig machte, war seine Sache. Hauptsache, er verlangte nicht, dass Manuel dabei mitmischte.
Manchmal wurden Manuel Einzelheiten zugetragen. Von Lars und Tonio, die kein Problem damit hatten, ihren Gesellenlohn mit schummrigen Deals ein bisschen aufzubessern. Unfallfahrzeuge wurden mit gefälschten Papieren versehen und an windige Abnehmer verscherbelt. Wagen unbekannter Herkunft wurden in Nacht- und Nebelaktionen umgespritzt und ins Ausland verfrachtet. Und ganz generell wurde so mancher Handel unter der Hand abgeschlossen.
Einige Male hatte Alex versucht, auch Manuel in diese Machenschaften zu verwickeln, doch Manuel hatte eindeutig klargestellt, dass er nichts damit zu tun haben wollte.
Einzig um die Jacht, die Alex mal gekauft und an der er schnell wieder das Interesse verloren hatte, kümmerte Manuel sich. Ansonsten hielt er sich aus den Geschäften und allem, was damit zusammenhing, raus. Alex hatte das akzeptiert und kein weiteres Wort darüber verloren.
Jetzt waren anscheinend wieder einmal
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