Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
dieser Wahnsinnige es nicht sogar geschafft, sie aus ihrem eigenen Haus zu vertreiben?
    Sie setzte sich zu Tilo in die Küche und trank einen Tee mit ihm. Genoss die kurze Zeit, die sie noch miteinander verbringen konnten. Sobald es dunkel war, würde sie sich auf den Weg machen.
    Ihr Wagen parkte inzwischen wieder in der Scheune. Tilo hatte ihr Gepäck bereits verstaut, ein Stück nach dem andern verstohlen aus dem Haus gebracht, mit reichlich zeitlichem Abstand zwischen den einzelnen Gängen, damit nichts den Eindruck einer bevorstehenden Reise erwecken konnte.
    Sie nahm seine Hand und drückte sie an ihre Wange. »Willst du wirklich allein im Haus bleiben?«, fragte sie.
    »Pschsch.« Mit dem Zeigefinger strich er ihr zärtlich über die Schläfe. »Ich bin groß und stark. Ich kann auf mich aufpassen.«
    Sie sah ihn immer noch vor sich, bleich und elend, nachdem sie ihn niedergeschlagen hatte. Und er wollte einem echten Angreifer gewachsen sein? Sie küsste seine Hand und wandte den Kopf ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht bemerkte.
    Schatten wuchsen in der Küche. Sie machten kein Licht.
    »Es ist ja nicht für immer«, sagte Imke leise. Dabei hatte sie keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.
     
    Ich war mit Luke verabredet, ein wahrhaftiges Wunder. Es kränkte mich, dass es ihm nichts auszumachen schien, wenn wir uns tagelang nicht sahen. Er behauptete, tierisch viel um die Ohren zu haben.
    »Mehr als ich?«, hatte ich angriffslustig nachgefragt. Mein Job im St. Marien war bestimmt kein Zuckerschlecken. Statt einer Antwort hatte er einen Kuss in den Hörer geschmatzt und sich mit einem Witz aus der Affäre gezogen. So reagierte er immer. Sobald es ernst wurde, verbarrikadierte er sich hinter irgendwelchen Albernheiten.
    Noch immer wusste ich so gut wie nichts über ihn.
    »Ihr kennt euch doch auch erst ein paar Wochen«, hatte Merle mir entgegengehalten. »Kannst du ihm nicht ein bisschen Zeit lassen?«
    Ich fand es sonderbar, dass sie plötzlich nach Entschuldigungen für sein Verhalten suchte. Seit wann ließ sie sich von Luke um den Finger wickeln?
    »Wir sind uns einfach nähergekommen«, sagte sie. »Ich hab mich allmählich an den Gedanken gewöhnt, dass er zu dir gehört und deshalb eben auch zu mir. Wolltest du das nicht immer?«
    Ja. Das hatte ich gewollt. Aber warum war ich Luke nicht nähergekommen?
    Wieder fing der Zweifel an, in meinem Magen zu rumoren. Ich war froh, als Frau Stein mich bat, mit zwei alten Damen einen kleinen Gang durch den Park zu machen. Sie unterhielten sich, weil beide fast taub waren, in einer Lautstärke, die mir jeden weiteren Gedanken an Luke unmöglich machte.
    Obwohl es unter den Bäumen schon dunkel wurde, wollten meine Schützlinge nach einer halben Stunde noch nicht ins Haus zurück, und wir drehten noch eine langsame Runde um den Teich. Danach beobachteten sie ein paar Vögel, die unter verrottetem Winterlaub nach Futter suchten. Und weil das hier streng genommen keine Arbeit war und wir uns außerhalb des Hauses befanden, ließ ich die Damen ein Stück vorgehen und machte mein Handy an, um nachzuschauen, ob Nachrichten da waren. Kaum war es an, als es klingelte.
    »Mama? Kann ich dich zurückrufen? Ich bin noch im St. Marien.«
    Privatgespräche waren im Heim und auf dem gesamten Gelände unerwünscht.
    »Nicht nötig, Liebes. Ich wollte mich nur eben verabschieden.«
    »Verabschieden?«
    »Die Koffer sind ja schon seit einer Weile gepackt.« Meine Mutter lachte leise. »Und jetzt geht’s los.«
    »Er hat sich wieder gemeldet.«
    Sie antwortete mir nicht.
    »Mama!«
    »Ja.« Sie sagte das leichthin, als wäre es nicht von Bedeutung. »Und mich daran erinnert, dass ich noch einen Berg von Recherchen für mein neues Buch vor mir habe.«
    Wenn meine Mutter etwas so herunterspielte, dann musste es schlimm sein.
    »Mama, du kannst doch nicht …«
    »Es ist mein Problem, Schatz, nicht deins.«
    Ich spürte, dass ich mich tatsächlich entlastet fühlte, und schämte mich deswegen in Grund und Boden.
    »Du kannst mich jederzeit über mein Handy erreichen. Adresse und Telefonnummer der Pension kennt nur Tilo. Der Kommissar meint, es sei besser, wenn niemand sonst etwas darüber weiß.«
    Sie hatte mir noch nicht mal verraten, in welchen Ort sie fuhr. Ein kleines Kaff hatte sie ihn genannt.
    »Das klingt wie aus einem deiner Krimis.«
    »Oh Gott, wirklich? Wenn man anfängt, sich selbst zu zitieren, wird es allmählich ernst mit dem Altwerden.«
    Meine Mutter war

Weitere Kostenlose Bücher