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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Schädeldecke.
    Irgendwann waren die Worte bloß noch eine Ansammlung von Buchstaben, deren Sinn Imke auch nach dem dritten oder vierten Anlauf nicht durchschaute. Sie nahm die Lesebrille ab und massierte sich die Stirn. Es hatte keinen Zweck, weiterzumachen. Sie brauchte eine Pause.
    Tilo schlief, wie sie sich mit einem Blick durch den Türspalt vergewisserte. Er lag auf dem Rücken, das Gesicht zur Seite geneigt, und schnarchte leicht. Imke schob die Tür so geräuschlos wie möglich zu, machte sich in der Küche einen Tee und war mit der dampfenden Tasse gerade auf dem Weg zum Wintergarten, als das Telefon läutete.
    »Thalheim.«
    »Hat er sich von dem Schlag erholt?«
    Imke erstarrte. Sie wusste sofort, dass die Stimme ihm gehörte, auch wenn er sie verstellte. Ihr erster Impuls war, das Gespräch wegzudrücken, doch es gelang ihrem Gehirn nicht, die Botschaft an die Finger weiterzuleiten. Also stand sie da und hielt das Telefon hilflos ans Ohr gepresst.
    »Böses, böses Mädchen.«
    Ein leises, atemloses Lachen.
    »Ich liege dir freiwillig zu Füßen.«
    Imke konnte sich nicht bewegen. Kalter Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn. Sie biss die Zähne zusammen, bis ihre Kiefer schmerzten.
    »So stumm?«
    Wieder ein Lachen, diesmal beinah zärtlich.
    »Meine Göttin.«
    Imke spürte, wie ihr schlecht wurde. Sie beugte sich nach vorn und presste die freie Hand auf den Magen. Mit der anderen hielt sie weiter das Telefon ans Ohr, obwohl sie nichts mehr hören mochte, nicht ein einziges Wort.
    »Ich bete dich an.«
    Ein seltsamer, zischender Laut ertönte im Hintergrund, und endlich fand Imke die Kraft, auf die rote Taste zu drücken. Sie ließ das Telefon auf den Tisch fallen und stürzte auf die Terrasse hinaus. Draußen atmete sie tief in den Bauch ein und wieder aus, ein und aus, bis die Übelkeit verschwunden war.
    Göttin. Dieser Mann war komplett verrückt.
     
    Natürlich hätte er gern ihre Stimme gehört. Und wie sie mit ihm redete. Aber sie war vor Angst paralysiert gewesen. Ein kräftiges Buh, und sie wäre umgekippt, jede Wette.
    Die Erregung hielt ihn noch immer gepackt. Sein Atem ging in kurzen Stößen. Er musste sich abreagieren, bevor er wieder in die Werkstatt zurückkehrte.
    In einem der hohen, noch blattlosen Bäume keckerte ein Vogel. Manuel kniff die Augen zusammen, doch er konnte nicht erkennen, was für ein Vogel das war. Dafür entdeckte er die schwarz-braun gefleckte Katze, die unter den mageren Sträuchern am Rand des Grundstücks entlangschlich.
    Wie er sie hasste, diese lautlosen Jäger, die ein so langes, grausames Spiel mit ihrem Opfer trieben, bevor sie es töteten. Er bückte sich nach einem Stein, zielte und warf ihn mit aller Kraft.
    Die Katze schrie fauchend auf und huschte davon.
    Befriedigt rieb Manuel sich die Hand an seinem Overall ab und grinste. Er wusste, warum er Katzen verabscheute. Er mochte nichts, was ihm zu ähnlich war.
    In der Werkstatt empfing ihn das ganz normale Chaos. Er atmete den vertrauten Geruch ein und entspannte sich. Das hier war sein Leben. Und seine Liebe machte es noch besser.
     

Kapitel 7
    Als sie auf die Straße hinaustraten, schlang Isa sich fröstelnd ihren langen, knatschbunt geringelten Wollschal um den Hals. Sie hatte die Angewohnheit, sich im Laufen anzuziehen, auf dem Weg vom Schreibtisch zur Tür ihres Büros in ihr Jackett zu schlüpfen, sich auf dem Flur den Mantel überzuwerfen, im Fahrstuhl oder auf der Treppe die Handschuhe überzustreifen, und das alles, während sie gleichzeitig geschickt mit ihrer Handtasche jonglierte. Als stünde sie ständig unter Strom und als sei sie nicht bereit, auch nur eine Sekunde mehr als nötig mit so profanen Dingen wie Ankleiden zu verschwenden.
    Bert verlangsamte seine Schritte, um ihr Zeit zu lassen. Es war saukalt. Weiße Wölkchen kamen aus seinem Mund. und in seinen Nasenlöchern schienen Eiszapfen zu wachsen. Der Winter war noch nicht vorbei. Nacht für Nacht stellte er das unter Beweis, überzog Dächer und Wiesen mit seinem eisigen Atem und hüllte die Nadeln der Tannen und die Blätter der immergrünen Sträucher in winzige gläserne Särge.
    »Brrr.« Isa rieb sich die Arme und tänzelte gegen den Wind, der durch die Straßen fegte und altes, knisterndes Laub vor sich hertrieb. Sie hielt den Kopf gesenkt. Ihre Nase war rot, wie angemalt.
    Bert streckte spontan den Arm aus, zog sie an den Schultern zu sich heran und drückte sie an sich, um sie zu wärmen.
    »Uuuh«, sagte Isa mit

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