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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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im  Dunkel der Anonymität. Gleichzeitig gibt er einen Teil seiner Identität preis - seine Lippen, seine Nase, sein Kinn.«
    »Was bedeutet das?«
    »Es offenbart seine emotionale Zerrissenheit.« Isa betrachtete die Fotos mit schräg geneigtem Kopf. »Er sucht die Nähe zu Imke Thalheim und zeigt ihr gleichzeitig, dass er gefährlich ist.«
    »Um ihr Angst einzuflößen?«
    »Ganz sicher erregt ihn die Vorstellung, sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Aber er will auch seine eigene Verletzlichkeit demonstrieren. Imke Thalheim die Wunden zeigen, die ihm das Leben zugefügt hat.«
    »Das heißt mal wieder, es kann so sein, so oder so - aber auch ganz anders?«
    »Du darfst von der Psychologie nicht Sicherheit erwarten, Bert«, wehrte sich Isa. »Wie jede Wissenschaft ist sie hauptsächlich eine Wissenschaft der Fragen und erst in zweiter Linie eine der Antworten.«
    Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Wozu ist sie dann nütze?«
    Erst als er wieder in seinem Büro saß, fiel ihm auf, dass er vergessen hatte, Isa das Geld für den Kaffee und die Torte zurückzugeben, und dass er ihr die eigentlich wichtigen Fragen gar nicht gestellt hatte.
     
    Tilo hatte immer noch Kopfschmerzen. Er war todmüde, obwohl er nichts anderes tat, als im Bett zu liegen. Nicht einmal zum Lesen konnte er sich aufraffen. Er hätte gern ein paar Stunden geschlafen, doch auch daran war nicht zu denken. Sobald er die Augen schloss, sah er weiße und gelbe Blitze durch das Dunkel schießen. Seine Lider fingen an zu zucken und so machte er die Augen lieber wieder auf.
    Zum Röntgen war er nicht gegangen, obwohl Imke ihm damit in den Ohren lag, seit der Notarzt sie verlassen hatte. Er wusste, dass sein Verhalten unvernünftig war, aber ein Leben ohne Leichtsinn, sagte er sich, war wie ein Vogel ohne Flügel.
    Er fühlte sich nicht krank, nur maßlos erschöpft. Vielleicht war der Unfall ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen. Vielleicht war es an der Zeit, endlich mal einen Gang runterzuschalten, wenn nicht sogar zwei.
    Allein die täglichen Therapiesitzungen forderten ihm reichlich Kraft ab. Hinzu kamen die begleitenden Gespräche mit Mina, seiner multiplen Patientin, die er eigens in ihrer Klinik aufsuchen musste. Die Abende nutzte er für die Arbeit an seinem Buch, in dem er Minas Therapie dokumentierte. Und als wäre das alles noch nicht genug, schrieb er in jeder freien Minute an den Vorträgen, mit denen er dann durch die Lande tingelte.
    Da mussten die Sicherungen ja irgendwann durchknallen.
    Sind sie aber nicht, dachte er. Es war Imke, die ihn gestoppt hatte, und es war auch kein Unfall gewesen, sondern … ja, was? Notwehr. Ein Irrtum. Irrtümliche Notwehr. Gab es so etwas?
    Imke war rührend um ihn bemüht. Sie las ihm die Wünsche von den Augen ab. Immer wieder kam sie ins Zimmer, um nach ihm zu sehen, brachte ihm eine Zeitschrift, etwas Obst, eine Tasse Tee. Und immer war ihre Miene schuldbewusst.
    Kleinlaut erkundigte sie sich nach seinem Befinden, fragte, ob er Schmerzen habe, Hunger oder Durst. Sie schüttelte sein Kissen auf, strich die Bettdecke glatt. Zog sich einen Stuhl heran und setzte sich eine Weile zu ihm, immer vorn auf der Kante balancierend, bereit, sofort aufzuspringen, sobald er eine Bitte äußerte.
    Er wollte das nicht. Er wollte nur eines, so rasch wie möglich aus dem Bett kommen und zur Normalität zurückkehren. Ein Schlag auf den Kopf, na und? Mehr war es nicht gewesen. Dass er jetzt so durchhing, hatte garantiert eine ganze Reihe von Ursachen, für die Imke nicht verantwortlich war.
    »Bist du wach?«
    Tilo richtete sich auf und sah sie in der Tür stehen, ein Glas Milch in der Hand. »Komm«, sagte er. »Setz dich ein bisschen zu mir.«
    Sie reichte ihm das Glas und nahm wieder vorn auf der Stuhlkante Platz. »Wie geht es dir?«
    »Schlecht.« Tilo schnupperte an der Milch und stellte das Glas auf dem Boden ab, ohne zu trinken.
    Imke musterte ihn besorgt.
    »Weil du mich behandelst wie einen Patienten«, erklärte Tilo.
    Ein erleichtertes Lächeln erschien auf Imkes Gesicht. »Du  bist ein Patient, mein Lieber. Und du musst schnell wieder gesund werden. Das hat oberste Priorität.«
    Ihre Augen waren rosa gerändert, ein Zeichen von Schlafmangel. Die Angst vor dem Mann, der ihr nachstellte, verfolgte sie bis in ihre Träume. Manchmal saß sie reglos da, den Blick ins Leere gerichtet, und wenn Tilo sie ansprach, zuckte sie zusammen wie ertappt.
    Auch jetzt war sie gar nicht wirklich anwesend. Doch

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