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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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beim Saubermachen zwar Gummihandschuhe und Plastikschürze tragen, aber Nase und Magen begegneten den Gerüchen ungeschützt. Die Krallen ängstlicher oder aggressiver Tiere machten auch vor Markenjeans nicht halt und die Wege auf dem unebenen Gelände des Tierheims bedeuteten für schicke Schuhe den sicheren Tod.
    »Blöde Zicke«, murmelte Merle verächtlich.
    Ihre Hände waren blau gefroren, die Fingerspitzen taub, wie abgestorben. Handschuhe trug sie nur, wenn sich ein Virus unter den Tieren verbreitet hatte. Sonst war es ihr lieber, mit bloßen Händen zu arbeiten. Die Katzen und Hunde mit  ihren feinen Nasen verabscheuten den Geruch des Gummis genau wie sie.
    Wenigstens konnte sie jetzt ein bisschen nachdenken und musste nicht das Geschnatter des Mädchens über sich ergehen lassen, das sich für nichts anderes interessiert hatte als für sich selbst und ihre Klamotten.
    Der Stalker beschäftigte Merle sehr. Sie wusste aus eigener Erfahrung am besten, wie man Leute ausspionierte. Als militante Tierschützerin bekam man die Informationen, die man für eine Aktion brauchte, nicht auf dem Silbertablett serviert. Man musste sie sich selbst beschaffen, oft genug auf krummen Wegen.
    Im Zeitalter des Computers kein Problem mehr. Erst vor Kurzem hatte Merle von einer Untersuchung gelesen, die den Informationsgehalt von Wikipedia mit dem der Standardlexika verglichen hatte. Es hatte sie kaum gewundert, dass Wikipedia den Lexika an Aktualität und Zuverlässigkeit nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen war.
    Der Stalker, der Imke Thalheim belästigte, hatte leichtes Spiel. Merle hatte ihren Namen in die Suchmaschine eingegeben und gut neunzig Millionen Einträge gefunden. Nach einer halben Stunde war sie das erste Mal Imke Thalheims kompletter Anschrift plus Telefonnummer begegnet, nach zwei weiteren Stunden hatte sie mehrere Interviews gelesen, in denen Jettes Mutter freizügig Auskunft über ihr Leben und ihre Gewohnheiten erteilt hatte.
    Nahm man dazu noch Imke Thalheims Romane, erfuhr man eine ganze Menge über ihre Gedanken, ihre Sichtweise, ihren Charakter. Ein gefundenes Fressen für einen Stalker, zur sofortigen Verwendung für ihn aufbereitet.
    Kopfschüttelnd leerte Merle die verbrauchte Streu der Katzenklos in die Abfalltonne. Jetzt war daran nichts mehr zu ändern. Imke Thalheim war von den Medien aufgenommen,  geschluckt und verdaut worden. Sie war längst Teil der gigantischen Unterhaltungsmaschinerie. Ihr Gesicht kannte man von zahlreichen Fernsehauftritten. Ihre Bücher waren Renner. Imke Thalheim war Kult.
    Wie sollte sich so jemand schützen? Und vor wem?
    Jeder konnte der Stalker sein, das machte es so furchtbar. Ein Familienmitglied, die Putzfrau, ein falscher Freund, einer aus dem Verlag, einer von der Presse, ein Kollege, der Briefträger, der Schornsteinfeger. Sogar Tilo, streng genommen, doch Merle weigerte sich, diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
    Merle hatte ein äußerst gespanntes Verhältnis zur Polizei. Nur bei Hauptkommissar Bert Melzig machte sie mittlerweile eine Ausnahme. Wenn einer Imke Thalheim helfen konnte, dann er. »Aber wie?«, murmelte sie. »Selbst er braucht einen Anhaltspunkt.«
    Die Katzen gaben ihr keine Antwort. Sie schlossen beim Klang ihrer Stimme bloß die Augen und mummelten sich tiefer in ihren Pelz.
    Merle nahm sich vor, weiter im Internet zu forschen. Und wenn sie sich durch meterhohen Müll arbeiten musste - irgendwo versteckte sich die eine Information, die sie weiterbringen würde.
     
    Tilo Baumgart gähnte. Er hatte einen langen Tag hinter sich. Die Patienten hatten sich die Klinke in die Hand gegeben. Nicht alle hatten einen Termin gehabt, aber Tilo gehörte nicht zu den Psychologen, die ihre Verantwortung an der Garderobe abgaben. Menschen, die eine Therapie machten, durchlebten Höhen und Tiefen, die sich nicht nach dem Terminkalender richteten. Ein Therapeut musste das wissen und berücksichtigen.
    Er hatte ein kurzes Mittagessen einschieben können, zusammen mit einem Kollegen, den er sehr schätzte und mit dem er sich bei schwierigen Fragen gern austauschte. Sie hatten, wie jedes Mal, die Vorzüge einer Gemeinschaftspraxis diskutiert, waren jedoch, wie jedes Mal, mit ihren Überlegungen keinen nennenswerten Schritt vorangekommen.
    Am Nachmittag war Ruth ausgefallen, die wieder mit einer ihrer Migränen zu kämpfen gehabt hatte. Bleich, zittrig und halsstarrig hatte sie die Stellung gehalten, bis es Tilo endlich gelungen war, sie davon zu

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