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Der Schattenprinz

Der Schattenprinz

Titel: Der Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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das Land zu ihm sprach.
    Zu Hause!
    Nach vierzig Jahren erfuhr Tenaka Khan, was dieses Wort bedeutete.
    Er schlug die Augen auf. Der Anführer stand ganz still da und beobachtete ihn. Er hatte schon oft Männer in einem Zustand der Trance gesehen, und immer verspürte er Ehrfurcht, aber auch Trauer darüber, daß ihm diese Erfahrung versagt blieb.
    Tenaka lächelte. »Folge mir«, sagte er, »und ich gebe dir die Welt.«
    »Werden wir dann Wölfe sein?«
    »Nein. Wir sind die Kommenden Nadir. Wir sind der Drache.«
    Gegen Morgengrauen saßen die vierzig Männer der Keista bis auf drei Wachen in zwei Reihen vor Te-nakas Zelt. Hinter ihnen saßen die Kinder, achtzehn Jungen und drei Mädchen. Zum Schluß kamen die Frauen, zweiundfünfzig an der Zahl.
    Subodai stand etwas abseits, verblüfft von dieser neuen Wendung der Ereignisse. Das machte doch keinen Sinn! Wer wollte denn am Vorabend eines Bürgerkriegs einen neuen Stamm gründen? Und was konnte Tenaka schon mit dieser schäbigen Bande von Ziegenzüchtern gewinnen? Das alles ging über den Verstand des Speerkriegers. Er schlenderte zu einem leeren Zelt und bediente sich mit weichem Käse und einem Laib kräftigen schwarzen Brotes.
    Was spielt das alles für eine Rolle?
    Wenn die Sonne hoch stand, würde er Tenaka bitten, ihn freizulassen, dann seine sechs Ponies nehmen und nach Hause reiten. Für vier Ponies konnte er sich eine gute Frau kaufen, und er würde eine Weile in den Bergen im Westen entspannen. Er kratzte sich das Kinn und fragte sich, was wohl mit Tenaka Khan geschehen würde.
    Subodai fühlte sich seltsam unbehaglich bei dem Gedanken, davonzureiten. Für ihn gab es nur selten Augenblicke wirklichen Interesses im harten Leben der Steppe. Kämpfen, Liebe, Kinder, Essen. Doch dem, was diese vier Dinge bieten konnten, waren Grenzen gesetzt. Subodai war vierunddreißig Jahre alt und hatte die Speere aus einem Grund verlassen, den keiner seiner Kameraden verstand: Er langweilte sich!
    Er trat hinaus in die Sonne. Ziegen liefen am Rand des Lagers herum, dicht bei den angepflockten Ponies, und hoch am Himmel kreiste ein Sperber.
    Tenaka trat in den Sonnenschein hinaus und stellte sich vor die Keistas - die Arme über der Brust verschränkt, mit ungerührter Miene.
    Der Anführer ging auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie, verbeugte sich tief und küßte Tenakas
    Füße. Einer nach dem anderen folgten die Keistas seinem Beispiel.
    Renya beobachtete das Schauspiel vom Zelt aus. Die ganze Zeremonie störte sie, wie auch die fast unmerkliche Veränderung, die sie an ihrem Liebsten wahrgenommen hatte.
    In der letzten Nacht, als sie zusammen unter den Felldecken lagen, hatte Tenaka sie geliebt. Da waren die ersten, winzigen Funken der Angst in ihr Unterbewußtsein gedrungen. Die Leidenschaft blieb, der Schauer der Berührung, die atemlose Erregung. Aber Renya spürte etwas Neues, Fremdes in Tenaka, das sie nicht deuten konnte. Irgendwo in seinem Innern hatte sich ein Tor geöffnet, und ein anderes war zugeschlagen. Die Liebe war weggeschlossen. Aber was hatte ihren Platz eingenommen?
    Jetzt betrachtete sie den Mann, den sie liebte, während die Zeremonie ihren Fortgang nahm. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, wohl aber die Gesichter seiner neuen Anhänger: sie glühten. Als die letzte der Frauen sich zurückzog, drehte Tenaka Khan sich wortlos um und ging zurück in sein Zelt. Da wurden die Funken in Renya zu einem Feuer, denn sein Gesicht spiegelte wider, was er geworden war. Er war nicht länger der Krieger zwischen den Welten. Die Steppe hatte sein Drenai-Blut aufgesaugt, und was übrigblieb, war reines Nadir-Blut.
    Renya wandte die Augen ab.
    Gegen Mittag hatten die Stammeskrieger dafür gesorgt, daß die Frauen die Zelte abbauten und auf Wagen verstauten. Die Ziegen wurden eingefangen, und der neue Stamm brach nach Nordosten auf. Subodai hatte nicht darum gebeten, aus seiner Leibeigenschaft entlassen zu werden; er ritt neben Tenaka und Gitasi, dem Anführer der Keistas.
    In dieser Nacht lagerten sie auf der Südseite eines bewaldeten Bergrückens. Gegen Mitternacht, als Tenaka und Gitasi sich am Lagerfeuer unterhielten, riß Hufgeklapper die Männer aus dem Schlaf. Sie rollten sich aus ihren Decken und griffen hastig nach Schwert und Bogen. Tenaka blieb, wo er war, mit überkreuzten Beinen am Feuer sitzend. Er flüsterte Gitasi etwas zu, und der narbengesichtige Anführer lief zu seinen Männern und beruhigte sie.
    Das Hufgeklapper wurde lauter, und mehr als

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