Der Schattenprinz
wunderten sie sich den Rest ihres Lebens darüber, wie sie bloß einen so langweiligen Jasager heiraten konnten.
Ein leises schabendes Geräusch schreckte ihn aus seinen Gedanken, und er ging zurück zum Fenster, um hinaus in die dunklen Schatten zu spähen.
Ein Mann kletterte etwa sechs Meter zu seiner Rechten die Wand empor - es war Steiger.
»Was tust du da?« fragte Pagan leise.
»Ich pflanze Rüben an«, zischte Steiger. »Was glaubst du wohl, was ich hier tue?«
Pagan warf einen Blick zu dem dunklen Fenster über ihnen. »Warum hast du nicht einfach die Treppe genommen?«
»Ich wurde gebeten, auf diese Weise zu kommen. Ich habe ein Stelldichein.«
»Verstehe. Dann viel Spaß!«
»Dir auch.«
Pagan zog seinen Kopf wieder zurück. Seltsam, wieviel Mühe ein Mann auf sich nehmen konnte, nur um sich Ärger einzuhandeln.
»Was geht da vor?« ertönte die Stimme Tenaka Khans.
»Willst du wohl leise sein?« schnaubte Steiger.
Pagan ging wieder zum Fenster, lehnte sich hinaus und sah Tenaka, der nach oben starrte.
»Er hat ein Stelldichein … oder so etwas«, erklärte Pagan.
»Wenn er fällt, wird er sich den Hals brechen.«
»Er fällt nie«, sagte Belder aus einem Fenster zur Linken. »Eher fällt der Mond vom Himmel.«
»Erklärt mir mal jemand, wieso ein Mann die Wand herauf klettert?« rief Rayvan.
»Er hat ein Stelldichein!« brüllte Pagan.
»Warum hat er nicht die Treppe genommen?«
»Das hatten wir alles schon. Er wurde gebeten, auf diesem Weg zu kommen.«
»Oh. Dann will er gewiß zu Ravenna«, sagte sie.
Steiger klammerte sich an die Wand, im Gespräch mit den Senilen Ewigen vertieft.
Inzwischen, in dem dunklen Zimmer oben, biß Ravenna derweil in ihr Kissen, um das Lachen zu unterdrücken.
Ohne Erfolg.
Zwei Tage blieb Ananais bei den Kämpfern von
Skoda, teilte sie in Einheiten zu je zwanzig Mann ein und nahm sie hart ran. Insgesamt waren es fünfhundertzweiundachtzig, die meisten von ihnen kräftig und zäh. Männer, die zu ihren Bergen paßten. Aber sie waren undiszipliniert und nicht an organisierten Kampf gewöhnt. Hätte Ananais Zeit gehabt, hätte er aus ihnen eine Kampftruppe formen können, die es mit allem, was Ceska aufzubieten hatte, hätte aufnehmen können. Aber er hatte keine Zeit.
Am ersten Morgen hatte er gemeinsam mit Lake die Männer gemustert und ihre Waffen überprüft. Sie besaßen nicht einmal hundert Schwerter.
»Das Schwert ist auch keine Waffe für einen Bauern«, erklärte Lake. »Aber wir haben viele Äxte und Bögen.« Ananais nickte und ging weiter. Schweiß rann ihm unter seine Maske übers Gesicht und brannte in den Narben, die nicht heilen wollten. Ananais’ Verärgerung wuchs.
»Such mir zwanzig Leute, die zu Hauptleuten taugen«, befahl er. Dann ging er rasch zu der Hütte, in der er sein Quartier aufgeschlagen hatte. Ga-land und Parsal folgten ihm.
»Was ist los?« fragte Galand, nachdem die drei sich in dem kühlen Raum niedergelassen hatten.
»Das fragst du? Da draußen sind fast sechshundert Mann, die in wenigen Tagen tot sein werden. Das ist los!«
»Du bist wohl ein kleiner Schwarzseher, was?« fragte Parsal gleichmütig.
»Noch nicht. Aber ich bin nahe dran«, gab Ana-nais zu. »Die Männer sind zäh und willig. Aber man kann so einen Haufen nicht gegen die Legion kämpfen lassen. Wir haben nicht einmal ein Signalhorn. Und selbst wenn wir eins hätten, gäbe es niemanden, der die Signale verstehen würde.«
»Dann müssen wir eben rasch zuschlagen und uns wieder zurückziehen«, schlug Galand vor.
»Du warst nie Offizier, oder?« fragte Ananais.
»Nein. Ich hatte nicht die richtige Herkunft«, fuhr Galand auf.
»Aus welchem Grund auch immer, die Tatsache ist schlicht die, daß ihr nicht zu Anführern ausgebildet wurdet. Wir können nicht zuschlagen und verschwinden, denn das würde bedeuten, unsere Truppen aufzuspalten. Dann würde die Legion uns einzeln nachsetzen, und wir hätten keine Ahnung, was mit dem Rest unserer Armee geschieht. Außerdem würde es der Legion die Möglichkeit eröffnen, in Skoda einzudringen und die Zerstörung von Dörfern und Städten fortzusetzen.«
»Was schlägst du also vor?« fragte Parsal, goß Wasser aus einem Krug und reichte den beiden anderen einen Becher.
Ananais wandte sich ab, hob die Maske an und schlürfte lautstark das kalte Wasser. Dann drehte er sich wieder um. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es noch nicht. Wenn wir zusammenbleiben, werden sie uns in Stücke hauen, und das an einem
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