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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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Gefrorene Worte
    Wir essen Salat. Sam hat Salat mit Schnecke
.
    »Bio«, sagt Ma und lacht ihr sonniges Ma-Lachen
.
    »Sehr gut.« Pa nickt zufrieden
.
    »Igitt«, sagt Sam
.
    Und ich denke wieder an die Salatpflanzen neben der fröhlichen Flatterwäsche und dem Beet mit Mais und Bohnen bei Tibby zu Hause. Weiße Bohnen mit schwarzen Läusen. Gerade Reihen schneckigen Salats. Ich sehe Tibby mit ihrem Pa im Garten Unkraut jäten. Mit ihrem Musiker-Pa
.
    »Gib her«, sage ich in einer plötzlichen Anwandlung. Sam zieht die Augenbrauen hoch, aber ich nehme einfach die Schnecke von seinem Teller und ertränke sie in meinem Glas
.
    Sam sieht mich erstaunt an, aber zugleich auch so verständnisvoll, dass etwas in mir zu schmelzen beginnt
.
    Ich spüre Tränen aufsteigen, und dabei kommen Dinge hoch, verschwommen nur, Dinge über Tibby, die ich vergessen hatte.Tief im Innern bilden sich zwischen den Tränen Worte, vorsichtig tastende Worte. Vielleicht schaffe ich es, etwas zu sagen, ganz leise, in Flüstersprache
.
    Ich hole tief Luft
.
    Aber Mas Lachen ist verschwunden und Pa ruft: »Anna!«
    Die Schnecke windet sich. Es dauert ziemlich lange, bis sie tot ist
.
    Pa steht auf und gießt mit angeekelter Miene mein Wasserglas aus. Und Ma sieht mich an, so eisig und schockiert, dass mir die leisen Worte in der Kehle gefrieren. Wie kann ich von Tibby erzählen, wenn sie schon bei einer toten Schnecke aus der Fassung geraten?
    Sprich darüber.
    Das haben sie so oft gesagt
. Sprich darüber. Friss es nicht in dich hinein, verdräng es nicht.
Pa und Ma haben das gesagt, auch Sam und Easy und Eileen und sogar JP
.
    Aber es geht nicht. Sobald ich von Tibby erzählen will, wird mein Kopf plötzlich zu einer schwarzen gefrorenen Fläche, von der jede Erinnerung abgleitet
.
    Easy hat mir ein hübsches blaues Buch mit blütenweißen Seiten geschenkt. »Vielleicht kannst du ja darüber schreiben«, hat er gesagt
.
    Jeden Tag schlage ich das Buch auf und starre die leeren Seiten an, die geduldig auf mich zu warten scheinen. Aber ich schreibe nichts. Blau war Tibbys Lieblingsfarbe, und darauf hat mein Stift keine Antwort, nicht einmal flüsternd auf Papier
.
    Ich laufe nach oben. Ich will allein sein und hören, was aus dem Eis hervorbricht. Vielleicht kann ich jetzt etwas schreiben, ganz behutsam, ein paar Worte nur
.
    Ma ruft mich zurück. Die Teller müssen in den Geschirrspüler geräumt werden. Die Arbeitsplatte muss abgewischt, sämtliche Krümel müssen entfernt werden. Und dann soll ich auch gleich noch die Spüle putzen, oder besser: desinfizieren. Ma sieht mich missbilligend an
.
    Jetzt muss ich schnell sein, ganz schnell, bevor die Worte in mir wieder gefrieren. Ich renne die Treppe hinauf. Sam hat mir zugezwinkert. Er versteht mich
.
    Rasch schlage ich mein blaues Buch auf, denn auf einmal weiß ich es wieder
.
    Ich weiß, wie alles angefangen hat
.

Feuer und Eis
    Es begann vor einem Jahr, am Eiswagen auf dem Schulhof. Achte Klasse, Ende Mai, schönes Wetter.
    Die Neue wollte ein Eis kaufen.
    »Wie wär’s mit Schokolade?«, rief jemand, ich weiß nicht, wer, ich jedenfalls nicht.
    Eileen stand neben mir und guckte mich erschrocken an. »Warum hast du das gesagt?«, flüsterte sie.
    Die Neue warf mir einen zornigen Blick zu und nahm Vanille.
    Eileen ebenfalls, also musste ich logischerweise Schokolade nehmen.
    Das Schokoladeneis war VW. Voll widerlich. Es schmeckte nach Seife.
    »Warum isst du es dann?«, fragte Eileen.
    Ich antwortete nicht, weil ich so tun wollte, als hätte ich das mit der Schokolade nicht gesagt.
    Aber die schwarzen Augen der Neuen sprühten Feuer. »Was soll das? Wofür hältst du dich eigentlich?«
    »Für Anna«, sagte ich. Eileen stieß mich in die Rippen.
    »Weiß ich«, sagte das Mädchen. »Ich bin in deiner Klasse. Seit drei Tagen schon.«
    Ich schwieg.
    »Also: Was sollte das?«, fragte sie.
    Ja, was sollte das? Keine Ahnung.
    »Ich hab zufällig an Schokolade gedacht«, murmelte ich.
    Das Mädchen schwieg, sah mich nur an, und ich wurde immer kleiner, wie mein Eis.
    Wie wär’s mit Schokolade – so was sagt man nicht zu einem dunkelhäutigen Mädchen. Schon gar nicht, wenn sie so schäbige Klamotten anhat.
    Ich wollte etwas erwidern, mich irgendwie entschuldigen, brachte aber nur ein Krächzen zustande.
    Eileen und das Mädchen prusteten gleichzeitig los.
    Die Neue lachte mit strahlenden Augen und weißen Zähnen. Sie hielt mir die Hand hin. »Ich bin Tibby.« Ihre Stimme klang warm. »Aber

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