Der Schattenprinz
könnten einfach in die Berge reiten und das Gras mit dem Blut ihres Volkes tränken!
Sie erhob sich und ging langsam zurück zu Te-naka Khan. Er saß reglos wie eine Statue da, und sah sie an, ohne daß in seinen schrägstehenden violetten Augen etwas zu lesen war. Dann stand er auf. Sie blinzelte, denn die Bewegung war unglaublich schnell und flüssig gewesen - in einem Moment reglos, im nächsten in Bewegung. In dieser Bewegung lag eine Perfektion, die ihr Zuversicht gab, auch wenn sie nicht erklären konnte, weshalb.
»Du hast eine Entscheidung getroffen?« fragte er.
»Ja. Wir werden tun, was du vorschlägst. Aber ich bleibe bei den Männern in der Mitte.«
»Wie du willst, Rayvan. Ich werde am Eingang des Tales sein.«
»Ist das klug?« fragte sie. »Ist das nicht sehr gefährlich für unseren General?«
»Ananais wird das Zentrum übernehmen, Deca-do die rechte Flanke. Ich werde zurückkommen, um die linke zu decken. Wenn ich fallen sollte, wird Galand meinen Platz einnehmen. Jetzt muß ich Ananais suchen gehen, denn ich möchte, daß seine Männer die ganze Nacht hindurch arbeiten.«
Die Anführer der Dreißig trafen sich in einer geschützten Senke am Osthang des Teufelsgrinsen. Im hellen Mondschein arbeiteten vierhundert Männer, entfernten die Grassoden und hoben Gräben in der weichen, schwarzen Erde aus.
Die fünf Priester saßen in einem engen Kreis, ohne zu reden, denn Acuas war auf Reisen. Sie erhielten Berichte von den zehn Kriegern, welche die Vorbereitungen überwachten. Acuas schwebte hoch am Nachthimmel, schwelgte in der Freiheit der Lüfte, denn dort gab es keine Schwerkraft, keine Notwendigkeit zu atmen, keine Fesseln aus Fleisch und Knochen. Hier, hoch über der Welt, konnten seine Augen alles sehen und seine Ohren das süße Lied der Sonnenwinde hören. Es war berauschend, und seine Seele schwelgte in der unermeßlichen Schönheit des Universums.
Es kostete ihn Mühe, zu seinen Pflichten zurückzukehren, doch Acuas war an Disziplin gewöhnt. In Gedanken flog er zu den äußeren Spähern, die den Schild gegen die Templer aufrechterhielten, und er spürte die Bosheit jenseits dieser Barriere.
»Wie steht es, Oward?« pulsierte er.
»Es ist schwer, Acuas. Ihre Kraft nimmt ständig zu. Wir können sie nicht mehr lange aufhalten.«
»Es ist wichtig, daß die Templer die Vorbereitungen nicht sehen.«
»Wir sind fast an unserer Grenze, Acuas. Nicht mehr lange, und sie brechen durch. Dann wird das Sterben beginnen.«
»Ich weiß. Haltet sie zurück!«
Acuas eilte hinab zum Eingang des Tales, wo die Legion lagerte. Darüber schwebte der Krieger Astin.
»Ich grüße dich, Acuas!«
»Ich grüße dich. Etwas Neues?«
»Ich glaube nicht, Acuas, aber die Templer haben uns jetzt ausgeschlossen, so daß ich die Gedanken ihrer Anführer nicht mehr wahrnehmen kann. Doch sie sind zuversichtlich. Sie erwarten keine ernsthafte Gegenwehr.«
»Haben die Templer versucht, zu dir durchzudringen?«
»Noch nicht. Der Schild hält. Wie steht es mit Oward und den anderen?«
»Sie werden bis an ihre Grenzen beansprucht. Warte nicht zu lange, Astin. Ich möchte nicht, daß ihr abgeschnitten werdet.«
»Acuas«, pulsierte Astin, als der andere aufbrechen wollte.
»Ja?«
»Die Männer, die wir aus der Stadt geführt haben …«
»Ja?«
»Sie wurden alle von der Legion erschlagen. Es war furchtbar.«
»Ich hatte befürchtet, daß es so kommt.«
»Sind wir für ihren Tod verantwortlich?«
»Ich weiß es nicht, mein Freund. Ich fürchte, ja. Sei vorsichtig.«
Acuas kehrte in seinen Körper zurück und öffnete die Augen. Er schilderte den anderen die Lage und wartete, daß Decado sich äußerte.
»Mehr können wir nicht tun«, sagte Decado, »es ist entschieden. In weniger als drei Stunden dämmert der Morgen, und die Legion wird zuschlagen. Wie ihr wißt, braucht Tenaka fünf von uns, die zu seiner Truppe stoßen. Ich überlasse dir die Wahl der Männer, Acuas. Der Rest von uns wird mit Ananais im Zentrum kämpfen. Die Frau, Rayvan, wird bei uns sein - Ananais wünscht, daß wir sie um jeden Preis schützen.«
»Keine leichte Aufgabe«, meinte Balan.
»Ich habe auch nicht behauptet, daß es leicht ist«, erwiderte Decado. »Aber wir müssen es versuchen. Für die Kampfmoral ist die Frau lebenswichtig, denn die Skoda-Männer kämpfen ebenso für sie wie für das Land.«
»Das verstehe ich schon, Decado«, sagte Balan glattzüngig. »Aber wir können für nichts garantieren. Wir kämpfen im
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