Der Schatz im Silbersee
Faller?«
»Nein,« lautete die Antwort.
»So habt Ihr bei Butlers Farm die Augen nicht offen gehabt. Ich bin Old Firehand. Habt Ihr Waffen bei Euch?«
Er zog dem Tramp das Messer aus dem Gürtel und einen Revolver aus der Hosentasche, ohne daß der entsetzte Mann eine Bewegung machte, dies zu verhindern. Dann sagte er zu dem Ingenieur: »Bitte, Sir, geht hinauf zu dem Schreiber, und sagt ihm, daß Faller hier gewesen ist, aber weiter nichts. Dann kehrt Ihr hieher zurück.«
Der Beamte entfernte sich. Old Firehand drückte den Tramp auf einen Stuhl nieder und band ihn mit einer auf dem Schreibtische liegenden starken Schnur an die Lehne desselben fest.
»Sir,« meinte der erst nun von seinem Schreck sich erholende Mensch, »warum diese Behandlung? Warum bindet Ihr mich?
Ich kenne Euch nicht!«
»Schweige jetzt!« gebot der Jäger, den Revolver ergreifend.
»Wenn du einen Laut eher, als ich es dir erlaube, hören lässest, jage ich dir eine Kugel in den Kopf!«
Der Bedrohte wurde leichenblaß und wagte nun nicht mehr, die Lippen zu bewegen. Jetzt trat der Ingenieur wieder ein. Old Firehand winkte ihm, an der Thür stehen zu bleiben; er selbst stellte sich an das Fenster, doch so, daß er von draußen nicht gesehen werden konnte. Er war überzeugt, daß die Neugierde dem Schreiber nicht lange Ruhe lassen werde. Es währte auch kaum zwei Minuten, so sah er einen Vorderarm erscheinen, welcher hinter das Faß langte; der Besitzer dieses Armes war nicht zu sehen, da er dicht an der Thürpfoste stand. Firehand nickte dem Ingenieur zu, und dieser öffnete schnell die Thür, gerade als der Schreiber an derselben vorüberhuschen wollte.
»Master Haller, wollt Ihr nicht einmal hereinkommen?« fragte er ihn. Der Angeredete hielt das Papier noch in der Hand. Er steckte es schnell ein und folgte der an ihn ergangenen Aufforderung mit sichtlicher Verlegenheit. Was aber machte er erst für ein Gesicht, als er seinen Genossen an den Stuhl gebunden sah! Doch nahm er sich schnell zusammen, und es gelang ihm wirklich, eine ziemlich unbefangene Miene zu zeigen. »Was für ein Papier habt Ihr soeben eingesteckt?«
fragte ihn Old Firehand.
»Eine alte Tüte,« antwortete der Tramp.
»So? Zeigt sie doch einmal her!«
Der Schreiber warf ihm einen erstaunten Blick zu und antwortete: »Wie kommt Ihr dazu, mir einen so unbegreiflichen Befehl erteilen zu wollen? Wer seid Ihr denn? Ich kenne Euch nicht. Sind meine Taschen etwa Euer Eigentum?«
»Ihr kennt ihn dennoch,« fiel der Ingenieur ein. »Es ist Old Firehand.«
»Old Fi- - -!« schrie der Tramp förmlich auf. Die zwei letzten Silben ließ der Schreck nicht aus seinem Munde. Seine Augen waren weit und starr auf den Genannten gerichtet.
»Ja, ich bin es,« bestätigte dieser; »hier habt Ihr mich wohl nicht vermutet! Und was den Inhalt deiner Taschen betrifft, so habe ich auf ihn wohl mehr Recht als du selbst. Zeig einmal her!«
Old Firehand nahm dem Tramp, ohne daß dieser zu
widerstreben wagte, zuerst das Messer ab; dann holte er einen geladenen Revolver, welchen er zu sich steckte, aus der Tasche, und nun zog er ihm auch den Zettel aus derselben.
»Sir,« fragte der Schreiber jetzt in verbissenem Tone, »mit welchen Rechte thut Ihr das?«
»Zunächst mit dem Rechte des Stärkern und des Ehrlichen, und sodann hat Mr. Charoy, welcher die Polizeigewalt dieses Ortes vertritt, mir den Auftrag erteilt, in dieser Angelegenheit seine Stelle zu vertreten.«
»In welcher Angelegenheit? Was ich bei mir trage, ist mein Eigentum. Ich habe nichts Ungesetzliches gethan und muß unbedingt wissen, aus welchem Grunde Ihr mich wie einen Dieb behandelt!«
»Dieb? Pshaw! Wohl Euch, wenn es nur das wäre. Es handelt sich nicht nur um einen Diebstahl, sondern erstens um einen Mord und zweitens um etwas, was noch viel schlimmer ist, als einfacher Mord, nämlich um den Überfall und die Plünderung des Eisenbahnzuges, wobei voraussichtlich nicht nur ein einzelner Mensch sein Leben verlieren würde.«
»Sir, höre ich recht?« rief der Mann mit gut gespieltem Erstaunen. »Wer hat Euch eine solche Ungeheuerlichkeit vorgelogen?«
»Niemand. Wir wissen genau, daß diese Ungeheuerlichkeit in der That ausgeführt werden soll.«
»Von wem?«
»Von Euch!«
»Von mir?« lachte der Tramp auf. »Nehmt es mir nicht übel, Sir, aber wer da behaupten kann, daß ich, ein armer Schreiber, der hier ganz allein steht und diese That also ohne Helfershelfer ausführen müßte, einen Zug anhalten und
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