Der Schatz im Silbersee
aber es ist trotzdem wahr. Ihr, Mr. Firehand, seid einer der berühmtesten Westmänner und werdet manches erlebt und erfahren haben, was Euch, falls Ihr es erzählen wolltet, niemand glauben würde. Vielleicht lacht wenigstens Ihr nicht über meine Worte.«
»Fällt mir gar nicht ein,« antwortete der Jäger in ernstestem Tone. »Ich bin gern bereit, Euch allen Glauben zu schenken, und habe meine guten Gründe dazu. Auch ich habe als ganz gewiß erfahren, daß ein Schatz in der Tiefe des Sees liegen soll.«
»Wirklich? Nun, dann werdet Ihr mich nicht für einen leichtgläubigen Menschen oder gar für einen Schwindler halten.
Ich schätze, es mit gutem Gewissen beschwören zu können, daß es mit diesem Schatze seine Richtigkeit habe. Der, welcher uns davon erzählte, hat uns gewiß nicht belogen.«
»Wer war das?«
»Ein alter Indianer. Ich habe noch nie einen so ur-, ur-, uralten Menschen gesehen. Er war geradezu zum Gerippe abgezehrt und sagte uns selbst, daß er weit mehr als hundert Sommer erlebt habe. Er nannte sich Hauey-kolakakho, teilte uns aber einst vertraulich mit, daß er eigentlich Ikhatschi-tatli heiße. Was diese indianischen Namen zu bedeuten haben, weiß ich nicht.«
»Aber ich weiß es,« fiel Old Firehand ein. »Der erstere gehört der Tonkawa-, der zweite der aztekischen Sprache an, und beide haben ganz dieselbe Bedeutung, nämlich »großer Vater«. Sprecht weiter, Mr. Watson. Ich bin außerordentlich begierig, zu erfahren, auf welche Weise Ihr diesen Indianer kennen gelernt habt.«
»Nun es ist eigentlich gar nichts Besonderes, oder gar Abenteuerliches dabei. Ich hatte mich in der Zeit verrechnet und war zu lange in den Bergen geblieben, so daß ich von dem ersten Schnee überrascht wurde. Ich mußte also oben bleiben und mich nach einem Orte umsehen, an welchem ich, ohne verhungern zu müssen, überwintern konnte. Ich ganz allein, tief eingeschneit, das war kein Spaß! Glücklicherweise kam ich noch bis an den Silbersee und erblickte dort eine Steinhütte, aus welcher Rauch aufstieg; ich war gerettet. Der Besitzer dieser Hütte war eben jener alte Indianer. Er hatte einen Enkel und einen Urenkel, Namens der große und der kleine Bär, welche - -«
»Ah! Nintropan-hauey und Nintropan-homosch?« fiel Old Firehand ein.
»Ja, so waren die indianischen Worte. Kennt Ihr vielleicht diese beiden, Sir?«
»Ja. Doch weiter, weiter!«
»Die beiden »Bären« waren nach den Wahsatschbergen hinüber, wo sie bis zum Frühjahr bleiben mußten. Der Winter kam allzufrüh, und es war eine vollständige Unmöglichkeit, durch den Massenschnee von dort herüber nach dem Silbersee zu kommen. Jedenfalls waren sie um den Alten in großer Sorge. Sie wußten ihn allein und mußten überzeugt sein, daß er in dieser Einsamkeit zu Grunde gehen müsse. Glücklicherweise kam ich zu ihm, und fand auch schon einen andern in seiner Hütte, eben den vorhin erwähnten Deutschen, Namens Engel, welcher sich gerade so wie ich vor dem ersten Schneesturme hierher gerettet hatte. Ich schätze, daß es geraten ist, mich kurz zu fassen, und will nur sagen, daß wir drei den ganzen Winter miteinander verlebten. Zu hungern brauchten wir nicht; es gab Wild genug; aber die Kälte hatte den Alten zu sehr angegriffen, und als die ersten lauen Lüfte wehten, mußten wir ihn begraben. Er hatte uns lieb gewonnen und teilte uns, um sich uns dankbar zu erweisen, das Geheimnis vom Schatze des Silbersees mit. Er besaß ein uraltes Lederstück, auf welchem sich eine genaue Zeichnung der betreffenden Stelle befand, und erlaubte uns, eine Kopie davon zu machen. Zufälligerweise hatte Engel Papier bei sich, ohne welches wir die Zeichnung nicht hätten erhalten können, weil der Alte das Leder uns nicht geben, sondern dasselbe für die beiden »Bären« aufbewahren wollte. Er hat es am Tage vor seinem Tode vergraben, doch wo, das erfuhren wir nicht, da wir seinen Willen achteten und nicht nachforschten. Als er dann unter seinem Hügel lag, brachen wir auf. Engel hatte die Zeichnung in seinen Jagdrock eingenäht.«
»Ihr habt nicht auf die Rückkehr der beiden »Bären«
gewartet?« fragte Old Firehand.
»Nein.«
»Das war ein großer Fehler!«
»Mag sein, aber wir waren monatelang eingeschneit gewesen und sehnten uns nach Menschen. Wir kamen auch bald unter Leute, aber unter welche. Wir wurden von einer Schar Utahindianer überfallen und vollständig ausgeraubt. Sie hätten uns sicher getötet; aber sie kannten den alten Indianer, welcher
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