Der Schatz im Silbersee
auf ihre gute Meinung über seine Ehrenhaftigkeit seinen Versprechungen getreu.
Es wurde also ein weiter Kreis gebildet, der aus allen Weißen und Roten bestand. Zwei Rafters mußten aufwärts und abwärts im Canon Wache halten, um die Annäherung eines Feindes sofort zu melden. Der Häuptling saß vor Winnetou und Old Shatterhand. Er sah sie nicht an, vielleicht aus Scham, vielleicht auch aus Verstocktheit.
»Was denkt der »große Wolf«, was wir jetzt mit ihm machen werden?« fragte Old Shatterhand in der Utahsprache.
Der Gefragte antwortete nicht.
»Der Häuptling der Utah hat Angst; darum antwortet er nicht.«
Da erhob er den Blick, bohrte ihn mit grimmigem Ausdrucke in das Gesicht des Jägers und sagte: »Das Bleichgesicht ist ein Lügner, wenn es behauptet, daß ich mich fürchte!«
»So antworte! Überhaupt darfst nicht du von Lügen sprechen, denn du selbst bist es, der welche geredet hat.«
»Das ist nicht wahr!«
»Es ist wahr. Als wir uns noch in eurem Lager befanden, fragte ich dich, ob wir frei sein würden, wenn ich den Sieg errungen hätte. Was antwortetest du mir?«
»Daß ihr gehen könntet.«
»War das keine Lüge?«
»Nein, denn ihr seid gegangen.«
»Aber ihr habt uns verfolgt!«
»Nein.«
»Willst du es leugnen?«
»Ja, ich leugne es.«
»Zu welchem Zwecke habt ihr dann das Lager verlassen?«
»Um nach dem Versammlungsorte der Utahs zu reiten, nicht um euch zu verfolgen.«
»Warum hast du denn fünf deiner Krieger auf unsre Fährte gesandt?«
»Das habe ich nicht gethan. Wir haben das Kriegsbeil ausgegraben, und wenn dies geschehen ist, so hat man vorsichtig zu sein. Als ich euch die Freiheit versprach, falls du mich besiegen würdest, wußte ich gar nicht, nach welcher Richtung ihr euch wenden wolltet. Wir wollten euch ziehen lassen und haben Wort gehalten. Ihr aber habt uns überfallen, uns alles abgenommen und fünf unsrer Krieger getötet. Die Leichen derselben liegen noch drin im Felsenspalt.«
»Du weißt nur zu gut, was ich von deinen Worten zu denken habe. Warum schossen deine Wächter auf uns, als wir fortritten?«
»Sie wußten nicht, was ich euch versprochen hatte.«
»Warum stießen alle deine Leute das Kriegsgeschrei aus?
Diese kannten dein Versprechen ganz genau.«
»Dieses Geschrei galt nicht euch, sondern den Wächtern, daß diese nicht mehr schießen sollten. Gerade das, was wir gut gemeint haben, legst du uns für schlimm aus.«
»Du verstehst es, dich sehr scharfsinnig zu verteidigen; aber es gelingt dir nicht, deine Unschuld zu beweisen. Ich will einmal sehen, ob deine Krieger den Mut besitzen, aufrichtiger zu sein, als du bist.«
Er legte einigen der Roten die Frage auf, wem ihr jetziger Ritt gegolten habe, und sie antworteten übereinstimmend mit dem Häuptlinge, daß sie keine böse Absicht gegen die Bleichgesichter verfolgt hätten.
»Diese Leute wollen dich nicht Lügen strafen,« fuhr er, zu dem
»großen Wolfe« gerichtet fort. »Aber ich habe einen unumstößlichen Beweis. Wir haben dein Lager umschlichen und deine Leute belauscht. Wir wissen, daß ihr uns töten wolltet.«
»Das vermutet ihr nur!«
»Nein, wir haben es gehört. Wir wissen auch, das Lager morgen abgebrochen wird, und daß alle Krieger dir nach dem Versammlungsorte der Utahs folgen werden, die Frauen und Kinder aber gehen zu den Alten in die Berge. Ist das wahr?«
»Ja.«
»Nun, so ist auch das andre wahr, was wir hörten. Wir sind fest überzeugt, daß ihr uns nach dem Leben getrachtet habt.
Welche Strafe werdet ihr wohl dafür erhalten?«
Der Rote antwortete nicht.
»Wir hatten euch nichts gethan, und ihr nahmt uns mit, um uns zu töten. Jetzt habt ihr uns das Leben nehmen wollen; ihr hättet also mehr verdient als nur den Tod. Aber wir sind Christen. Wir wollen euch vergeben. Ihr sollt eure Freiheit und eure Waffen zurückerhalten, und dafür müßt ihr uns versprechen, daß keinem von uns, die wir hier sitzen, jemals von euch ein Haar gekrümmt werde.«
»Spricht das deine Zunge oder dein Herz?« fragte der Häuptling, indem er einen ungläubig forschenden, scharf stechenden Blick auf Old Shatterhand warf.
»Meine Zunge hat niemals andre Worte als mein Herz. Bist du bereit, mir das Versprechen zu geben?«
»Ja.«
»Daß wir alle, welche wir uns hier befinden, rote und weiße Männer, von heute an Brüder sind?«
»Ja.«
»Die einander beistehen wollen und müssen in jeder Not und in jeder Gefahr?«
»Ja.«
»Und bist du bereit, das mit der Pfeife des
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