Der Schatz in der Drachenhöhle
„treffen sie uns bestimmt.“
„Ich glaube nicht, daß sie das tun.“
Jetzt standen beide oben am Ufer. Im
Dämmerlicht waren die dunklen Gesichter kaum zu erkennen.
„Würden Sie mir bitte erklären“, rief
Tarzan, „weshalb Sie mich überfallen haben? Weshalb Sie uns verfolgen? Wir
kennen Sie nicht und haben Ihnen nichts getan. Aber wir werden die Polizei
alarmieren, wenn Sie uns nicht endlich in Ruhe lassen.“
„Die Polizei?“ rief der Narbige. „Die
wird dir genauso wenig willkommen sein wie uns. Aber du entgehst meiner Rache
nicht, du hinterhältiger Bastard (Schimpfwort für uneheliches Kind).“
„Weshalb, um Himmels willen, wollen Sie
sich an mir rächen?“
„Du hast beinahe mein Kind getötet!“
„Wie bitte? Wovon reden Sie? Ich bin
Ihrem Kind nie begegnet, geschweige denn, daß ich ihm was getan habe. Wo und
wann soll denn das passiert sein?“
„Deine Lügen werden dir nicht helfen — so
wenig wie dir dein Katapult nützen wird. Als ihr an unserem Lagerplatz
vorbeigefahren seid, heute früh, hast du mit einer Stahlkugel auf meine Bianca
geschossen. Und sie verletzt.“
„Verdammt noch mal!“ schrie Tarzan
dazwischen. „Wie kommen Sie darauf? Haben Sie’s gesehen? Nein! Können Sie auch
gar nicht, weil kein Wort stimmt. Aber ich ahne, wer Ihnen diese gemeine Lüge
aufgetischt hat: die Höllenengel, nicht wahr? Diese Rockertypen auf ihren
Motorrädern. Die verbreiten die übelsten Lügen über uns. Den Floßheimern haben
sie weisgemacht, wir wären Rauschgifthändler. Sie konnten ja sehen, wie die uns
empfangen haben. Keiner von uns, Herr Zigeuner, besitzt eine Schleuder. Wir
sind unbewaffnet. Aber der Rocker mit dem blauen Helm schleppt eine
Stahlschleuder mit sich herum. Uns hat er damit schon beschossen. Hier am Boot
— schade, Sie können es wahrscheinlich nicht sehen — ist eine Delle. Dort traf
eine Kugel, die mir oder einem meiner Freunde galt. Kümmern Sie sich um den
Kerl mit dem blauen Helm. Dann werden Sie merken, wer hier die Wahrheit sagt.“
Betretenes Schweigen folgte.
„Ist Ihr Töchterchen schwer verletzt?“
fragte Tarzan in ruhigem Ton.
„Es ging ihr schon wieder besser, als
wir aufbrachen“, antwortete der Narbige. „Die Kugel hat sie nur gestreift. Sonst
wäre der Schuß tödlich gewesen.“
„Schrecklich!“ sagte Gaby. „Diese
Rocker gehören hinter Schloß und Riegel.“
„Wir wünschen Ihrem Kind“, rief Tarzan,
„daß es bald wieder gesund ist. Und daß es einmal lernt, besser als sein Vater
zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.“
Er ließ den Zweig los, tauchte das
Paddel in die Flut und manövrierte, bis sich das Kanu gedreht hatte.
Er sah nicht noch mal zum Ufer hinüber,
wo die Zigeuner schweigend verharrten. Die aber blickten dem Kanu nach, bis es
in der anbrechenden Dunkelheit verschwand.
„Ich glaube“, sagte Tarzan, „jetzt sind
wir die Höllenengel los. Dafür sorgen die Zigeuner.“
„Die hast du überzeugt. Gott sei Dank!“
Gaby klopfte ihm auf die Schulter. „Jetzt werden sich die Rocker der Zigeuner
erwehren müssen. Unerhört, dir einen Mordversuch anzuhängen. Haben die doch
tatsächlich auf ein Kind geschossen und dann die Wahrheit verdreht.“
„Ab jetzt wird’s gemütlich!“
prophezeite (Vorhersagen) Klößchen. „Jetzt können wir anlegen, wann
immer wir wollen, und unsere Vorräte ergänzen. Hoffentlich führen die flußnahen
Geschäfte die vorzügliche Sauerlich-Schokolade. Aber — zur Not tut es auch ein
Konkurrenz-Produkt (Erzeugnis eines anderen Bewerbers um den Kunden).“
11. Des Rätsels Lösung
Langsam rollte der Streifenwagen über
die Uferstraße.
Polizeimeister Sagolla saß am Lenkrad,
neben ihm sein Kollege Woldert.
„...ist schon schwer für einen Witwer
wie mich“, sagte Woldert gerade, „mit zwei Kindern in dem Alter klarzukommen.
Die Ute ist mit ihren elf Jahren bockig wie ein Maulesel. Ich müßte die Uniform
anziehen, damit sie mir wenigstens einmal gehorcht. Und Claus raucht heimlich,
trotz seiner Asthmaneigung. Er ist 15 und denkt: Ein junger Mann muß rauchen.
Schlimm! Aber noch schlimmer ist, daß die beiden fast jeden Nachmittag allein
zu Hause sind. Statt die Schularbeiten zu machen, hören sie Popmusik. Oder sie
sehen fern. Naja, nach den Ferien wird das anders.“
Sagolla hatte nur mit einem Ohr
zugehört. Er war rosig und dick, Woldert das Gegenteil: hager, mit eingefallenen
Wangen und grauer Haut. Es grämte ihn, daß er sich seit dem viel zu frühen
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