Der Schatz von Blackhope Hall
inspiriert."
"Vielleicht …" Er unterbrach sich und schaute auf seine Hände hinab. "Wir haben schon vorher von Lady Alys geträumt. Gemeinsam und getrennt. Das gibt mir zu denken. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dahinter eine ganz bestimmte Bedeutung stecken muss. Jetzt hältst du mich gewiss für abergläubisch. Und doch …" Unsicher verstummte er.
"Auch mir kommt es so vor, als habe das alles einen besonderen Sinn. Obwohl ich die Träume nicht verstehe … Und normalerweise glaube ich nicht an Zeichen oder Omen."
"Wie auch immer, wir können nicht bestreiten, was wir erlebt haben. Warum träumen wir immer wieder von Lady Alys? Hast du schon früher von ihr geträumt?"
"Nein, niemals. Erst hier, in Blackhope."
"Und ich träumte von dieser Frau und John in der Nacht, nachdem wir uns kennen gelernt hatten."
Verwundert runzelte sie die Stirn. "Heißt das, unsere Begegnung hat den Traum bewirkt?"
"Keine Ahnung. Es klingt so lächerlich …" Seufzend schüttelte er den Kopf. "Erzähl mir in allen Einzelheiten, was du letzte Nacht geträumt hast. Hat Lady Alys irgendetwas eingepackt?"
"Ja, sie faltete Kleidungsstücke zusammen und legte sie in eine Truhe. Dann schaute sie mich an und sagte, es sei wichtig, sein Eigentum sicher zu verwahren. An den genauen Wortlaut erinnere ich mich nicht … Oh, Moment mal, sie erklärte, man müsse kostbares Eigentum sicher verwahren. Seltsam – sie schien mit mir zu reden, obwohl ich in dem Traum nicht wirklich mitspielte und nur zuschaute. Dann ging sie zu einer goldenen Kassette."
"Eine goldene Kassette?"
"Etwa so groß." Olivia hielt ihre Hände einen Fußbreit auseinander. "An den Kanten hübsch verziert, mit eingravierten Ornamenten. Das sah ich ganz genau. Sie stellte das Kästchen aufs Bett und öffnete es. Darin lagen Juwelen, goldene Ketten, silberne Armbänder und Ringe. Sie nahm ein goldenes Kreuz mit einem roten Stein in der Mitte heraus …" Verblüfft hielt sie den Atem an. "Wie das Kreuz, das Madame Valenskaya erwähnt hat – das zum Märtyrerschatz gehört! Natürlich! Die goldene Kassette! Du hast mir von einer goldenen Kassette und diesem Kreuz erzählt. Deshalb muss ich davon geträumt haben."
Seltsamerweise war sie enttäuscht, weil ihr Traum nichts Besonderes bedeutete – weil er nur von Dingen hervorgerufen worden war, die sie in letzter Zeit gehört hatte.
"Habe ich gesagt, die Kassette sei aus Gold?"
Nachdenklich zögerte sie. "Da bin ich mir nicht sicher. Jedenfalls stellte ich mir ein hölzernes Kästchen vor. Deshalb erkannte ich den Zusammenhang erst jetzt. Besteht das Kästchen aus Gold?"
Statt zu antworten, erkundigte er sich: "Was lag sonst noch darin?"
"Nun, Lady Alys zog eine schöne Halskette aus goldenen Perlen heraus. Wenn ich mich recht entsinne, waren sie ebenfalls ziseliert." Blicklos starrte sie in den Garten und versuchte sich möglichst genau an den Traum zu erinnern. Und so bekam sie nicht mit, wie Stephens Miene gefror.
"Danach ging sie zu einer Truhe und nahm einen Gürtel aus Goldgliedern heraus. In der Mitte waren drei Glieder mit bunten Steinen geschmückt. Diesen Gürtel trug sie, als wir sie durch die Wand gehen sahen."
"Tatsächlich?" murmelte er geistesabwesend. "Das ist mir nicht aufgefallen. Aber …" Er stand auf und ergriff Olivias Hand. "Komm mit mir, ich möchte dir etwas zeigen."
11. Kapitel
Stephen führte Olivia ins Haus und bat sie, in seinem Arbeitszimmer zu warten. Dann ging er davon. Beharrlich hatte er sich geweigert, ihre Fragen zu beantworten, und nur versprochen: "Bald wirst du es sehen."
Als er endlich zurückkehrte, konnte sie ihre Neugier kaum noch ertragen. Ein kleines Bündel in der Hand, schloss er die Tür hinter sich. Ungeduldig sprang sie aus ihrem Sessel auf.
Er legte das Bündel auf den Schreibtisch und entfernte vorsichtig eine Hülle aus blauem Samt. Darunter kam eine goldene Kassette zum Vorschein, etwa einen Fuß lang und sieben oder acht Zoll hoch. An den Kanten zogen sich eingravierte Ornamente entlang. Mit einem winzigen Riegel konnte man das Kästchen öffnen und schließen.
Aufgeregt griff sich Olivia an die Kehle. Genauso hatte die Goldkassette in ihrem Traum ausgesehen.
"O Stephen, dieselbe Kassette, aus der Lady Alys in meinem Traum den Schmuck nahm …", flüsterte sie, hob eine Hand, um den kostbaren Schatz zu berühren, und ließ sie wieder sinken. Wie rasend hämmerte ihr Herz gegen die Rippen, kraftlos sank sie in den Sessel zurück. "Nein, es ist
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