Der Schatz von Blackhope Hall
halten. Bei Gott, das werde ich sogar tun, wenn sie uns zu viele nervenaufreibende Séancen zumuten."
"Nein, legen wir ihnen lieber das Handwerk. Wir müssen in aller Ruhe nachdenken … Zum Beispiel – wie konnten sie herausfinden, dass diese Scorhills früher hier lebten, die so genannten Märtyrer? Das ist sicher nicht allgemein bekannt. Jedenfalls habe ich nie zuvor davon gehört."
"In historischer Hinsicht war die Familie eher unwichtig. Du weißt ja, wie das ist, Olivia. Jemand sieht um Mitternacht eine gespenstische Frau, und schon behaupten die Leute, der Geist einer Märtyrerin würde in Blackhope spuken. Soweit ich mich erinnere, werden die enthaupteten Scorhills in einer St. Leger-Chronik erwähnt. Wahrscheinlich auch in einem umfassenden Bericht über König Heinrichs Regentschaft. Aber ich vermute eher, Madame Valenskaya und ihre Mittäter haben meine Mutter, Belinda und Pamela bei irgendwelchen Gesprächen belauscht."
"Auf diese Weise müssen sie auch erfahren haben, welche Musik dein Bruder bevorzugte."
"Ja. Und wie ist Ihnen dieser Trick gelungen? Wir alle haben 'Für Elise' gehört."
"Ich nehme an, Madame hat sich eine kleine Spieldose beschafft und in einer ihrer Rocktaschen versteckt. Dieses Gerät ließ sie im passenden Moment ertönen und dann verklingen."
Seufzend schüttelte Stephen den Kopf. "Sehr raffiniert."
"Und der Mönch? Gibt es in dieser Gegend eine Legende über einen Mönch mit einem Totenschädel?"
"Meines Wissens nicht. Aber viele Gruselgeschichten handeln von solchen Gestalten. Und ein Mönch passt gut zu den Märtyrern, denn sie mussten sterben, weil sie ihrem katholischen Glauben nicht abschwören wollten. Um die gleiche Zeit wurden die Klöster aufgelöst."
"Mit dieser Maskerade haben Madame und ihre Komplizen einen Fehler gemacht. Wenn wir die Kutte in einem ihrer Zimmer finden, können wir beweisen, dass sie die Geistererscheinung inszeniert haben."
"Sicher hat sich Babington verkleidet."
"Das glaube ich auch. Der Mönch war größer als Madame Valenskaya und Irina. Demnach muss es Mr. Babington gewesen sein. Oder es gibt einen Spießgesellen, der nicht hier im Haus wohnt."
"Diesem Kerl hätte ich niemals den Mumm zugetraut, den man braucht, um einen Geist zu spielen."
"Vielleicht gehört seine ruhige, zurückhaltende Art zu seiner Tarnung. Morgen wird Tom ins Zimmer des Gentleman gehen. Er hat sich erboten, einen der Lakaien zu entlasten, Mr. Babingtons Schuhe zu putzen und die Kleidung auszubürsten. Bei dieser Gelegenheit kann er die Mönchskutte suchen."
"Falls Babington sie noch nicht vernichtet hat. An seiner Stelle hätte ich die Kutte sofort ins Feuer geworfen, während alle anderen in der Halle waren und über die Geistererscheinung diskutierten."
"Sicher nicht, wenn du die Kutte noch einmal benutzen willst", wandte Olivia ein. "Womöglich möchte er uns noch einmal erschrecken."
"Ich weiß nicht, ob ich die Kutte ins Haus zurückbringen würde." Nachdenklich runzelte Stephen die Stirn. "Also, ich versetze mich in Babington hinein … Ich steige die Stufen zum tiefer gelegenen Garten hinab … Natürlich erwarte ich, dass man bald nach mir suchen wird. Deshalb ziehe ich die Kutte aus, nehme die Maske ab – vorausgesetzt, der Totenschädel war eine Maske."
"Ja, das ist einfacher gewesen, als das Gesicht mit phosphoreszierender Farbe zu bemalen. Die hätte er vor seiner Rückkehr ins Haus abwischen müssen. Wäre ein winziger Fleck auf seiner Wange haften geblieben, hätte man es sicher bemerkt. Dann wäre er entlarvt worden."
"Genau. Darin lag sein Problem. Er musste ins Haus zurückgelangen und damit rechnen, jemandem zu begegnen. Wahrscheinlich benutzte er eine Seitentür. Wäre ihm irgendwer über den Weg gelaufen, hätte er behauptet, er habe im Garten nach dem Gespenst gesucht. Doch er durfte sich nicht mit der Kutte und der Maske in den Händen blicken lassen."
"Und deshalb hat er die Utensilien draußen versteckt", folgerte Olivia.
"Ja. Zweifellos hat er schon vor der Geistererscheinung ein passendes Versteck gewählt und sein Kostüm dort hinterlegt, um es später zu holen."
"Am nächsten Tag?"
"Eher heute Nacht. Meinst du nicht auch?"
"Natürlich, du hast Recht. Er nimmt an, dass du morgen den ganzen Garten gründlich durchsuchen lässt. Bei Tageslicht würde man die Sachen sicher finden."
"Also wird er in dieser Nacht hinausschleichen und sie woanders verwahren." Stephen lachte leise. "Wollen wir unserem lieben Gast Mr. Babington
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