Der Schatz von Blackhope Hall
wenn sie den Raum über dem rosa Zimmer, in dem deine Mutter so oft Tee trinkt, genauer erkundet haben. Und weil niemand die Kinderstuben betritt, mussten sie nicht befürchten, erwischt zu werden."
"Möglich. Sogar plausibel. Leider wird es nicht genügen, um meine Mutter von Madame Valenskayas unlauteren Machenschaften zu überzeugen."
"Heute Morgen hat sich Tom im alten Flügel umgesehen. Er nahm eine Laterne mit und hielt nach Fußspuren im Staub Ausschau."
"Hat er welche gefunden?"
"Sogar sehr viele. Gestern bist du mit ihm dort drüben umhergegangen, um deine Schwester und mich zu suchen. Belinda und ich sind mehrmals durch dieselben Flure geeilt. Aber in zwei Korridoren fand er einzelne Spuren, die meinen und Belindas Fußabdrücken nicht glichen. Also muss noch eine andere Person im alten Trakt gewesen sein."
"Da waren wir uns von Anfang an sicher. Doch das wird meine Mutter nicht beeindrucken. Dafür müssten wir ihr etwas stichhaltigere Beweise liefern."
"Das weiß ich. Gestern hätte ich die Bande entlarven können, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre. Ich sagte laut und deutlich, das Schluchzen müsse aus dem Kamin kommen. Dabei bedachte ich nicht, dass meine Stimme zu der weinenden Person drang. Und deshalb erwartete sie, ich würde sie verfolgen, und konnte entkommen."
"Mach dir deshalb keine Vorwürfe", bat Stephen und ergriff ihre Hand. "Bisher hast du ausgezeichnete Arbeit geleistet. Mehr darf ich wirklich nicht verlangen."
Verwirrt schaute sie ihm in die Augen. Wenn er sie so anlächelte, fehlten ihr die Worte.
Als er näher zu ihr trat, erklang eine Stimme in der Tür. "Oh mein Gott, störe ich?"
Hastig wich Olivia von Stephen zurück. Die Wangen feuerrot, drehte sie sich um und sah Pamela auf der Schwelle stehen.
"Tut mir Leid", beteuerte die Lady in einem Ton, der genau das Gegenteil bekundete. Leise lachte sie und schlenderte ins Zimmer.
"Hallo, Pamela", grüßte Stephen frostig.
"Lady Pamela …" Unbehaglich senkte Olivia den Kopf. Diese Frau besaß das Talent, ihr immer wieder das Gefühl zu geben, sie sei fehl am Platz. Und dass sie diese Gabe so oft nutzte, irritierte Olivia noch mehr. Warum meldete sich ihr Gewissen? Sie hatte nichts Unrechtes getan und Stephen ebenso wenig. Außerdem war er seiner Schwägerin zu nichts verpflichtet.
Aus den Augenwinkeln schaute Olivia zu Stephen hinüber, der Pamela mit unergründlicher Miene musterte. Empfand er bei ihrem Anblick immer noch die einstige Leidenschaft? Was erfüllte sein Herz? Zorn oder Liebe? Oder beides? So oder so, Olivia wollte der peinlichen Situation entfliehen. "Ich … äh …", begann sie. "Wenn Sie mich entschuldigen würden – ich habe zu tun." Mit schnellen Schritten verließ sie den Raum.
Pamela guckte ihr nicht nach. Stattdessen lächelte sie Stephen an, die blauen Augen voller Belustigung. "Also wirklich, Stephen! Versuchst du etwa, mich eifersüchtig zu machen?"
Verächtlich zog er die Brauen hoch. "Wie bitte?"
Ihr Kinn wies zu der Tür, durch die Olivia soeben verschwunden war. "Gerade habe ich eine kleine Szene mit der unscheinbaren Tochter des Duke beobachtet. Du hast ihre Hand gehalten und ihr tief in die Augen geschaut. Neulich seid ihr über die Ländereien geritten … Oh, und jener rührende Moment gestern Abend, als du mit ihr aus dem alten Flügel kamst, einen Arm fürsorglich um ihre Taille geschlungen …"
Nach einer kurzen Pause entgegnete er: "Vielleicht wird dich das schockieren, Pamela – aber meine Beziehung zu Lady Olivia geht dich nichts an."
Anmutig ging sie zu ihm, in sanft schwingenden Röcken. "Komm schon, mein Lieber, du kannst mir nicht weismachen, das kleine Ding würde dich interessieren. Immerhin kenne ich dich. Hast du das vergessen?" Dicht vor ihm blieb sie stehen. Ihr Finger glitt über sein Hemd. "Zu welcher Leidenschaft du fähig bist, weiß ich sehr gut. Niemals könnte Lady Olivia dein Verlangen befriedigen. Was für eine Frau ein Mann wie du braucht, weiß ich ganz genau."
Mit strahlenden Augen sah sie zu ihm auf und versprühte ihren ganzen Charme. Dann lächelte sie verführerisch, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
9. Kapitel
Wie Eisenklammern umschlossen seine Finger ihre Handgelenke und zogen sie nach unten. Verblüfft starrte sie ihn an.
"Mach dich nicht lächerlich, Pamela!" stieß er hervor.
In ihren Augen glitzerte heller Zorn. "Wie kannst du es wagen! Lass mich sofort los!"
"Sehr gern." Stephen erfüllte ihr den Wunsch und trat
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