Der Schatz von Blackhope Hall
an. Nach einer kurzen Pause wandte sich Irina an die Countess-Witwe: "Wissen Sie, was das bedeutet, Mylady?"
"Seltsam – ein goldenes Kreuz?" Belinda runzelte die Stirn. "Das verstehe ich nicht. Verlangen die Geister ein goldenes Kreuz?"
"Keine Ahnung", erwiderte ihre Mutter. "Geht es um das Märtyrerkreuz, Madame?"
"Das kann ich Ihnen nicht sagen, Mylady", entgegnete die Russin. "Ich sah nur etwas Großes, Goldenes … ein Kreuz."
"Wovon sie redet, ist doch glasklar." Stephen starrte sie durchdringend an. "Zweifellos meinen Sie den Schatz der Märtyrer, Madame." Nach einem kurzen Blick auf Irina und Mr. Babington lehnte er sich zurück und fügte in frostigem Ton hinzu: "Oder etwa nicht? Zunächst nahm ich an, Sie würden sich bereit erklären, die rastlosen Geister gegen ein beträchtliches Honorar zu 'beruhigen'. Aber Sie haben es offensichtlich auf den Märtyrerschatz abgesehen."
"Keineswegs", widersprach das Medium empört. "Ich spreche für diese armen Seelen."
"Also wirklich, Stephen!" tadelte Lady St. Leger ihren Sohn. "Wie kannst du so etwas sagen? Natürlich wird Madame kein Geld von dir fordern."
Olivia beobachtete Madame Valenskaya und stellte fest, dass sie die Behauptung ihrer Gönnerin nicht bestätigte.
Stattdessen berührte sie ihre Stirn. "Oh, ich bin müde. Sehr, sehr müde." Bebend streckte sie eine Hand aus, die Mr. Babington fürsorglich ergriff, um ihr auf die Beine zu helfen.
"Diese Séancen zehren an Madame Valenskayas Kräften", seufzte er. "Jetzt muss sie sich unbedingt ausruhen." Zu Lady St. Leger gewandt, fuhr er fort: "Vielleicht wäre es besser, wir würden nach London zurückkehren."
"Was?" rief die Hausherrin bestürzt. "Nein, das dürfen Sie nicht … Bitte, Madame, bleiben Sie hier!"
"Ich bin müde – sehr, sehr müde", wiederholte das Medium mit brüchiger Stimme.
"Für Madame ist das alles äußerst schwierig", betonte Mr. Babington. "Die Geister strapazieren ihre Nerven. Und was noch schlimmer ist – sie muss auch noch gegen Lord St. Legers Zynismus und sein Misstrauen kämpfen." Vorwurfsvoll schaute er Lady Eleanor an. "Und ich fürchte, Sie lassen sich von Ihrem Sohn beeinflussen, Mylady."
"Oh nein! Bitte …" Sie sah so unglücklich und verängstigt aus, dass ihr Olivias Herz zuflog. "Gehen Sie nicht fort, Madame! Ich glaube an die Geister – und an alles, was sie sagen. Das wissen Sie doch. Wenn Roddy mit Ihrer Stimme zu uns spricht, hege ich nicht die geringsten Zweifel. Sie können mich nicht im Stich lassen! Was soll ich denn ohne Sie tun?"
"Nun, ich weiß nicht recht, Mylady …", entgegnete Mr. Babington und setzte eine Miene auf, die ausdrucksvoll einen inneren Konflikt bekundete. "Ich darf Madame Valenskaya nicht erlauben, sich zu überanstrengen – insbesondere, wenn man nicht an ihre Fähigkeiten glaubt."
Olivia fragte sich, was er wohl tun würde, wenn Lady St. Legers Protest ausbliebe. Aber das Medium und seine Komplizen kannten ihr Opfer gut genug. Nach flehenden Bitten und längerem dramatischen Zaudern versprachen sie schließlich, Blackhope vorerst nicht zu verlassen.
"Keine große Überraschung …" Eine Stunde später saß Stephen mit Olivia in seinem Arbeitszimmer und schnitt eine verächtliche Grimasse. Diese abendlichen Zusammenkünfte entwickelten sich allmählich zu einem Ritual, bei dem sie die Ereignisse des Tages und die Fortschritte ihrer Ermittlungen erörterten. Meistens schenkte er sich einen Brandy ein, und manchmal nippte auch sie an einem Glas. "Welch eine grandiose schauspielerische Leistung!" spottete er. "Erst heucheln sie Widerstreben, dann lassen sie sich nur zögernd dazu überreden, noch eine Weile hier zu bleiben. Damit 'beweisen' sie Mutter ihre ehrbare Gesinnung. Selbstverständlich glaubt sie, wenn diese Leute sie hintergehen wollten, würden sie nicht im Traum daran denken, nach London zurückzukehren. Wie raffiniert sie um den Finger gewickelt wird, merkt sie nicht. Indem sie ihr drohen, sie würde den Kontakt mit Roderick verlieren, zerstreuen sie die letzten Zweifel, die ihr vielleicht hin und wieder kommen."
"An diesem Abend war sie zum ersten Mal ein bisschen skeptisch", meinte Olivia. "Der Gedanke, die St. Legers sollten die Märtyrer für deren Verlust entschädigen, gefiel ihr ganz und gar nicht."
"Da hat Madame Valenskaya ein bisschen zu viel riskiert", sagte Stephen lächelnd. "Mutter war immer sehr stolz auf die St. Legers. Und sie liebt unseren Landsitz. Den will sie den Geistern nicht
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