Der Schichtleiter
ich halte ihm zugute, dass er außer seiner Uhr keinen Schmuck trägt. Manchmal scheint südländische Haut ja geradezu ein Übermaß an groben Goldklunkern zu fordern.
Er sieht mich wieder an und wirkt ein wenig genervt, weil ich ihn so anstarre. Na gut, die Sympathiepunkte sind ohnehin verspielt. Es ist allerdings auch blöd, erst dann Hilfe anzubieten, wenn man sich ganz sicher sein kann, dass keine Gefahr mehr besteht. Abgesehen davon natürlich, dass Lukas nicht wirklich eine Gefahr war. Aber für einen Außenstehenden muss es wohl doch ziemlich merkwürdig ausgesehen haben, ich mit verdrehtem Arm und dazu der unfreiwillige Kuss.
Ich schließe die Augen, um nicht immer verleitet zu werden, mein Gegenüber zu mustern. Ob er auch etwas vom Gespräch mitbekommen hat? Lukas hat nicht gerade leise gesprochen. Ach Mensch, ich will jetzt nicht mehr an Lukas denken! Ich habe die Augen zu und der Zug rumpelt vor sich hin. Wenn ich mir Mühe gebe, kann ich vielleicht etwas dösen, immerhin bin ich heute viel zu früh aufgestanden. Aber es hat sich gelohnt …
Ich träume ein wenig von den zwei Runden Sex mit Marco. Dann bin ich tatsächlich weg. Ich bin ganz bei Marco und dem Superschwanz, der in den letzten Monaten beinahe täglich seinen Weg in mich hinein gefunden hat. Allein bei der Vorstellung spüre ich, wie meine Rosette zuckt. Ich bin noch immer bereit für eine dritte Runde …
Plötzlich wandern meine Gedanken in eine andere Richtung: Lukas. Wenn nicht alles so kompliziert wäre, dann hätte das vorhin ein ziemlich heißes Abenteuer werden können. Lukas ist ein absoluter Traumtyp, wenn man mal davon absieht, dass er mit meiner besten Freundin Mara zusammen ist. Die bloße Tatsache, dass er bei der Polizei arbeitet, sorgt schon für verschärfte Träumereien. Verdammt, wie sehr er mich damals angebettelt hat, mit mir seine ersten Erfahrungen in Sachen Männersex sammeln zu dürfen. Und wie er vorhin meinen Schlag abgefangen und mich an sich gerissen hat. Lukas wäre durchaus in der Lage, sich einfach zu nehmen, was er will. Warum hat er das eigentlich nicht getan? Jetzt im Nachhinein finde ich es ein bisschen schade. Mit einem gewissen Abstand sieht das jedoch immer etwas anders aus. Träumen kann man viel, besonders mit einem Steifen in der Hose. Ich darf einem Zusammenkommen mit Lukas in der Realität aber einfach nicht zustimmen. Ich will Mara nicht verletzen und mit Marco habe ich ja auch noch ein Abkommen. Wir haben uns Treue versprochen. Da halte ich mich selbstverständlich dran. Wenn Lukas sich darüber allerdings hinwegsetzt und mir keine Wahl lässt … Gut, die erotische Vorstellung einer Vergewaltigung funktioniert ja nur in Fantasien. In echt wird das sicherlich weniger romantisch aussehen. Im Internet geistern ja genügend Typen herum, die gern mal erzählen, dass sie sich in solchen Fällen als Opfer anbieten würden. Erst letztens gab es auf Queer.de einen Bericht über eine Vergewaltigung. Anstatt dass die User betroffen sind, schreibt jeder zweite Kommentator, dass ihm das Spaß gemacht hätte. Manchmal verwechseln Leute in ihrer Geilheit die Realität mit Traumdenken. Ich kann mich da gerade nicht von ausnehmen, schließlich stelle ich mir das mit Lukas ja ebenfalls eher schön vor. Liegt daran, dass ich schon wieder geil bin und deswegen herumspinne. Tatsächlich wäre Lukas ein Riesenarschloch, wenn er meine Abwehr nicht akzeptieren würde. Und hier ist der Haken: Gerade weil er mich nicht einfach übergeht, finde ich ihn attraktiv. Wenn er mich nicht respektieren würde, sähe das anders aus. Total kompliziert und blöde.
Trotzdem werde ich Lukas nicht los. Immer wieder taucht er in meinen Gedanken auf. Glücklicherweise sind Träumereien nicht verboten. Das tut Mara nicht weh und mit Marco bin ich da sicherlich ebenfalls im Reinen – zumindest muss er ja nicht wissen, was ich mir so vorstelle. Ich kenne Marco und weiß, dass er selbst auch ganz gern mal hier und da einem knackigen Arsch hinterherschaut. Diese Gedanken sind sicherlich auch nicht jugendfrei. Gleiches Recht für alle!
Ich stelle mir vor, dass Lukas doch nicht abgehauen und heimlich nach mir in den Zug gestiegen ist. Während ich hier penne, wartet er draußen auf dem Gang, bis die Leute allmählich das Abteil verlassen. Wow, das Geräusch der Schiebetür klingt aber real …
Ich öffne erschrocken die Augen. Tatsächlich habe ich das Geräusch in meinen Traum mit eingebaut. Der Südländer verlässt gerade das Abteil.
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