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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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–, und welchen Grund hätte ich schon gehabt, sie nicht zu begleiten? Also gingen wir gemeinsam zum Friedhof. Wir standen ein paar Minuten am Grab meiner Mutter, dann bei meinem Vater und gingen schließlich wieder zurück ins Homestead. »Wenn ich heute irgendwohin gehe«, sagte Reese, »bleibe ich nie lange – außer vielleicht im Restaurant und im Kino. Wissen Sie, ich glaube, ich lasse mich später einäschern. Ich möchte nirgends länger bleiben, als mein Geld reicht, nicht einmal auf einem Friedhof.«
    Ich lachte herzhaft und sagte: »Reese, Sie sagen immer, was Sie sich denken, was? Ich kann mir vorstellen, dass das meiner Mutter und meinem Vater gefallen hat.«
    Als ich ein paar Tage später ins Hotel zurückkam, wartete ein Brief auf mich. Ohne Absender. Ich setzte mich auf die Couch in der Lobby und las ihn.
    Lieber Wyatt,
    es war sehr freundlich von Ihnen, mit mir auf den Friedhof zu gehen. Mein Haus wird gerade zum Verkauf angeboten. Ich verlasse Halifax heute mit dem Zug. Ich werde bei einer entfernten Cousine wohnen; diese Cousine hat mir auch eine Stelle verschafft, im ältesten Hotel in Vancouver
– ich brauche wohl nicht zu erwähnen, was für eine Stelle es ist. Sie brauchen sich also nicht zu fragen, ob ich vielleicht nach Hollywood gegangen bin! Ich wünsche Ihnen ein gutes Leben.
    Reese Mac Isaac

EIN MÖGLICHER BALSAM
    Marlais, das ist jetzt meine sechsundzwanzigste Nacht hintereinander, in der ich das für dich aufschreibe, und mir wird klar, dass ich manchmal über die Jahre hinwegflitze wie ein Eisläufer, der auf einem zugefrorenen Fluss vom Teufel verfolgt wird. Das hat Reverend Lundrigan einmal in einer Predigt gesagt; ich war während des letzten halben Jahres fünfmal in der Harbor Methodist Church hier in Halifax. Aber es war seit 1948, als ich dich das letzte Mal gesehen habe, bis zu diesem Augenblick, am 21. April 1967 um 3:20 Uhr, immer so, dass ich mich über jede Kleinigkeit gefreut habe, die ich über dich erfuhr. So hat mir zum Beispiel in den Jahren, als du diese kleine »fortschrittliche« (so deine Mutter) englischsprachige Schule in Kopenhagen besuchtest, Cornelia Tell regelmäßig deine Zeugnisse geschickt.
    Ich war dankbar für die Schulzeugnisse. Sie sagten mir schon einiges. Deine Mutter schrieb sie ab und schickte sie Cornelia. Als ich das erste Zeugnis bekam, rief ich sie an. »Tilda hat mich gebeten, dass ich es dir schicke«, sagte Cornelia. »Aber ich hätte es wahrscheinlich auch ohne ihre Erlaubnis getan.« Ich las jedes einzelne Zeugnis mindestens ein Dutzend Mal. Ich bewahre sie immer noch in einem eigenen Umschlag auf. Es war mir wichtig zu erfahren, wie es dir in der Schule geht. Aber alle
Leute mit ein bisschen Verstand wissen, dass ein Kind in der Schule selten seine ganze Persönlichkeit zeigt, mag es noch so folgsam und fleißig sein, nicht wahr? Und so habe ich mich natürlich immer gefragt, was für ein Mensch meine Tochter sein mag. Worüber hast du dir Sorgen gemacht? Was für einen Humor hattest du? Alles, einfach alles, hat mich interessiert. Natürlich habe ich mich auch Dinge gefragt, die in meinem eigenen Interesse liegen. Hat deine Mutter jemals einen Satz mit den Worten »Dein Vater …« begonnen? Du musst doch nach mir gefragt haben – und was hat dir Tilda dann gesagt? War da Verständnis, Ablehnung, oder was? Hast du je ein Bild von mir gesehen? Ich weiß, dass Cornelia Tell dir eins geschickt hat, als du zehn warst. Hast du das Foto von meinen Kollegen und mir gesehen, das ich dir vor ungefähr vier Jahren geschickt habe? Ich hatte mein Gesicht umkringelt.
    Wenn irgendein Kommentar eines Lehrers in einem Zeugnis auch nur ein klein wenig kritisch ausfiel, dann hat mich das oft geärgert, obwohl die Einschätzung des Lehrers ja auch zutreffend sein konnte. Zum Beispiel habe ich mir gerade wieder einmal ein Zeugnis von dir angesehen, als du elf warst – und da steht: »Marlais Hillyer ist intelligent, aber manchmal misst sie den Worten zu große Bedeutung bei. Sehr gutes Gedächtnis für Fakten, manchmal ein ziemlich schnippischer Ton. Es kommt oft vor, dass sie für sich allein lacht, was ihre Mitschüler abschreckt. Sie hat oft recht eigenwillige Gedanken, wie zum Beispiel: ›Wenn ich mit dem Reiten anfangen würde, dann würde ich wahrscheinlich Pferde nicht mehr so bewundern.‹ Manchmal liefert sie recht dramatische, bisweilen schon krankhafte Ausreden für eine gewisse Faulheit: ›Mutter sagt, wenn sie für mich noch einmal

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