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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mann, alt und fast blind, im Hof aus dem Koran. In der Kühle des Bogenganges saßen die Männer der Familie auf niedrigen Diwanen und rauchten ihre Wasserpfeifen, während ihnen junge Sklaven Kaffee in langhalsigen Gefäßen servierten. Ein weiterer schwarzer Wächter stand an der Tür zum Harem, hinter der die Frauen sichlangweilten und dick wurden. Die Tage waren lang und warm, die Familie war reich, und die Kinder wurden verwöhnt.
    Der britische Offizier – mit seinen Shorts und seinem Motorrad, dem anmaßenden Gesicht und den neugierigen Augen, die vom Schatten der spitzen Uniformmütze verdeckt wurden – war hier eingebrochen und hatte Wolffs Kindheit entweiht. Wolff hätte gern das Gesicht des Mannes gesehen, denn er wollte ihn am liebsten eines Tages umbringen.
    Während seiner ganzen Reise hatte er an dieses Haus gedacht: in Berlin und Tripolis und El Agheila, während des Schmerzes und der Erschöpfung in der Wüste. Bei seiner ängstlichen, hastigen Flucht aus Assiut war ihm die Villa als sicherer Hafen erschienen, ein Ort, an dem er sich nach der Reise erholen, säubern und ausheilen konnte. Er hatte sich darauf gefreut, im Bad zu liegen, im Hof Kaffee zu schlürfen und Frauen mit nach Hause in das große Bett zu bringen.
    Jetzt würde er verschwinden und Distanz halten müssen.
    Er hatte den ganzen Morgen draußen gewartet, bald auf und ab gehend, bald unter den Olivenbäumen sitzend, für den Fall, daß Captain Newman sich an die Adresse erinnerte und jemanden schickte, das Haus zu durchsuchen. Und vorher im Zug hatte er eine Galabiya gekauft, da er wußte, daß man nach einem Europäer, nicht nach einem Araber fahnden würde.
    Es war ein Fehler gewesen, echte Papiere vorzuzeigen. Das wurde ihm im Rückblick klar. Er war daran gescheitert, daß er den Fälschungen der Abwehr mißtraute. Von anderen Spionen hatte er Schauergeschichten über grobe Irrtümer gehört, welche dem deutschen Geheimdienst auf Dokumenten unterliefen: verpfuschter Druck, Papier minderer Qualität, sogar orthographische Fehler in ganz normalen englischen Wörtern. In der Spionageschule, aufder er seinen Chiffrierlehrgang absolviert hatte, war das Gerücht umgegangen, daß jeder Polizist in England den Besitzer einer Lebensmittelkarte mit einer bestimmten Serie von Zahlen als deutschen Spion identifizieren könne.
    Wolff hatte die Alternativen abgewogen und die scheinbar weniger riskante gewählt. Er hatte sich geirrt und seine Unterkunft verloren.
    Seine Familie? Seine Mutter und sein Stiefvater waren tot, aber er hatte in Kairo drei Stiefbrüder und eine Stiefschwester. Es wäre schwer für sie, ihn zu verstecken. Man würde sie verhören, sobald die Briten die Identität des Villenbesitzers entdeckten, was schon heute der Fall sein konnte. Und wenn seine Verwandten auch um seinetwillen lügen mochten, die Diener würden mit Sicherheit reden. Außerdem konnte er ihnen eigentlich nicht trauen, denn als sein Stiefvater gestorben war, hatte Alex als ältester Sohn das Haus und einen weiteren Teil des Erbes erhalten, obwohl er Europäer und nur ein adoptierter Sohn war. Es hatte bittere Auftritte und Besprechungen mit Rechtsanwälten gegeben; Alex war unnachgiebig geblieben, und die anderen hatten ihm nie verziehen.
    Sollte er ins Shepheard’s Hotel ziehen? Auch das schied aus, denn man hatte dort sicher bereits die Beschreibung des Mörders von Assiut erhalten. Die anderen größeren Hotels würden sie ebenfalls bald bekommen. Damit blieben die Pensionen. Ob sie alarmiert wurden, hing von der Gründlichkeit der Polizei ab. Da die Briten betroffen waren, könnte die Polizei sich verpflichtet fühlen, peinlich genau zu sein. Aber die Geschäftsführer kleiner Gästehäuser hatten oft zuviel zu tun, um schnüffelnden Polizisten Aufmerksamkeit zu schenken.
    Er verließ Garden City und steuerte auf die Innenstadt zu. Die Straßen waren noch geschäftiger und lauter als bei seiner Abreise aus Kairo. Es gab zahllose Uniformen,nicht nur britische, sondern auch australische, neuseeländische, polnische, jugoslawische, palästinensische, indische und griechische. Die schlanken, kecken ägyptischen Mädchen in ihren leichten Baumwollkleidern und mit ihrem schweren Schmuck behaupteten sich erfolgreich neben den rotgesichtigen, deprimierten Europäerinnen. Wolff schien, daß nicht mehr so viele ältere Frauen das traditionelle schwarze Gewand und den Schleier trugen. Die Männer begrüßten einander auf dieselbe überschwengliche Art wie

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