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Der Schlüssel zu Rebecca

Der Schlüssel zu Rebecca

Titel: Der Schlüssel zu Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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verstrichen. Endlich, als ein Krawall kaum noch abwendbar schien, ertönte ein Trommelwirbel. Die Bühnenbeleuchtung wurde ausgeschaltet, und Stille trat ein.
    Als der Scheinwerfer aufleuchtete, stand Sonja mit erhobenen Armen in der Mitte der Bühne. Sie trug eine transparente Hose und ein flitterbesetztes Oberteil, ihr Körper war weiß gepudert. Die Musik begann – Trommeln und eine Flöte –, und Sonja fing an, sich zu bewegen.
    Wolff nippte an seinem Champagner und sah lächelnd zu. Sie war immer noch unübertroffen.
    Langsam zuckte sie mit den Hüften, stampfte mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß auf. Ihre Arme fingen an zu zittern, dann bewegten sich ihre Schultern, und ihre Brüste bebten. Ihr berühmter Bauch kreiste hypnotisch. Der Rhythmus verschärfte sich. Sie schloß die Augen. Jeder Teil ihres Körpers schien sich unabhängig von den anderen zu bewegen. Wolff hatte – wie viele Männer unter den Zuschauern – das Gefühl, mit ihr allein zu sein. Nur für ihn schien ihre Darbietung bestimmt, die keine Verstellung, keine magische Bühnenkunst war. Ihre sinnlichen Zuckungen wirkten zwanghaft, als werde sie von ihrem üppigen Körper zu sexueller Raserei getrieben.
    Das schwitzende Publikum war konzentriert, still,gebannt. Sie wurde immer schneller, wie in Trance. Die Musik erreichte donnernd ihren Höhepunkt. In dem Moment des Schweigens, der folgte, stieß Sonja einen kurzen durchdringenden Schrei aus. Dann fiel sie nach hinten, die Beine untergeschlagen, die Knie gespreizt, bis ihr Kopf die Bühnenbretter berührte. Sie blieb eine Sekunde in dieser Position, dann erloschen die Lichter. Die Zuschauer erhoben sich und klatschten begeistert.
    Die Lichter gingen an, und sie war verschwunden. Sonja ließ sich nie auf Zugaben ein.
    Wolff stand auf. Er gab einem Kellner ein Pfund – drei Monatsgehälter für die meisten Ägypter –, um hinter die Bühne geführt zu werden. Der Kellner zeigte ihm die Tür zu Sonjas Garderobe und entfernte sich.
    »Wer ist da?«
    Wolff trat ein.
    Sonja saß auf einem Hocker, hatte sich einen Seidenumhang übergeworfen und schminkte sich ab. Sie sah ihn im Spiegel und wirbelte herum.
    »Hallo, Sonja«, sagte Wolff.
    Sie starrte ihn an. Nach einigen Sekunden erwiderte sie: »Du Lump.«
     
    *
     
    Sie hatte sich nicht verändert. Sonja war eine hübsche Frau. Sie hatte glänzendes schwarzes Haar, lang und kräftig; große, leicht hervortretende braune Augen mit dichten Wimpern; hohe Wangenknochen, die ihr Gesicht vor Rundheit bewahrten und ihm Form gaben; eine gebogene Nase von anmutiger Arroganz; und einen vollen Mund mit gleichmäßigen, weißen Zähnen. Ihr Körper schien nur aus weichen Kurven zu bestehen, aber da sie die Durchschnittsgröße um fünf Zentimeter übertraf, wirkte sie nicht üppig.
    Ihre Augen blitzten vor Zorn. »Was hast du hier zu suchen? Wo warst du? Was ist mit deinem Gesicht los?«
    Wolff stellte seine Koffer ab und setzte sich auf den Diwan. Er schaute zu ihr auf. Sie hatte die Hände auf die Hüften gestützt und das Kinn vorgereckt; die Konturen ihrer Brüste waren von grüner Seide umhüllt. »Du bist schön«, sagte er.
    »Verschwinde.«
    Er musterte sie eingehend. Er kannte sie zu gut, um sie gern zu haben oder abzulehnen: Sie war ein Teil seiner Vergangenheit, wie ein alter Freund, der immer ein Freund bleibt, einfach weil er immer dagewesen ist. Was mochte Sonja in den Jahren erlebt haben, seit er Kairo verlassen hatte. Hatte sie geheiratet, ein Haus gekauft, sich verliebt, ihren Manager gewechselt, ein Kind geboren? Am Nachmittag, in der kühlen, düsteren Kirche, hatte er lange darüber nachgedacht, wie er sich ihr nähern sollte. Aber er war zu keinem Schluß gekommen, da er nicht genau wußte, wie sie sich verhalten würde. Er war immer noch nicht sicher. Sie schien Zorn und Verachtung zu empfinden, aber waren das ihre wahren Gefühle? Sollte er charmant und amüsant, aggressiv und zudringlich oder hilflos und inständig bittend auftreten?
    »Ich brauche Hilfe«, erklärte er ruhig.
    Ihre Miene änderte sich nicht.
    »Die Briten sind hinter mir her«, fuhr er fort. »Sie beobachten mein Haus, und alle Hotels haben meine Beschreibung. Ich kann nirgends schlafen. Laß mich zu dir ziehen.«
    »Geh zum Teufel!«
    »Ich möchte dir erklären, weshalb ich dich verlassen habe.«
    »Nach zwei Jahren ist keine Entschuldigung gut genug.«
    »Nur eine Minute. Das bist du mir nach allem schuldig.«
    »Ich schulde dir nichts.« Sie betrachtete

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