Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
Vom Netzwerk:
ganz nahe heran. Nach der königlichen Kapelle kam der Oberste Richter von Xylar in einer langen schwarzen Robe und einer goldenen Kette um den Hals. Vier Hellebardiere, die den König umringten, folgten. Manch einer sank in die Knie, als der König vorbeiging.
    König Jorian war ein großer, kräftiger junger Mann mit rötlicher Hautfarbe, tiefliegenden schwarzen Augen und störrischem schwarzem Haar, das ihm bis zu den Schultern herabfiel. Sein Gesicht wurde von einem breiten Schnurrbart geschmückt, der sich hochschwang wie die Hörner eines Büffels. Eine auffällige Narbe verlief über seiner Nase und endete an der linken Wange. Er trug nur Schuhe und eine kurze Seidenhose, und man hatte ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Seine Krone – ein schmales Goldband mit einem Dutzend nach oben gerichteter kurzer Spitzen – wurde von einem Kinnband festgehalten.
    Prinz Vilimir murmelte: »So eine Krone habe ich noch nie gesehen.«
    »Das Kinnband ist erforderlich, um Krone und Kopf zusammenzuhalten, wenn das Los des Imbal fällt«, erklärte Turonus. »Vor Jahren löste sich die Krone. Ein Mann fing sie, ein anderer den Kopf, und beide beanspruchten den Thron. Daraus entwickelte sich ein Bürgerkrieg.«
    Nach den Soldaten kam ein kleiner, hagerer Mann mit grober brauner Robe und einem unförmigen weißen Turban. Sein seidiges weißes Haar und der lange Bart waren vom Wind zerzaust. Er trug ein Seil um die Hüfte geschlungen, und auf seiner Schulter ruhte eine Art Tornister.
    »Der geistliche Berater des Königs«, sagte Kanzler Turonus. »Es erscheint kaum geziemend, dass der König von Xylar von einem Heiden aus Mulvan in den Himmel geleitet wird – und nicht von einem unserer Hohepriester. Aber Jorian bestand darauf, und wir hielten es natürlich für richtig, ihm diese letzte Bitte zu gewähren.«
    »Wer – wie hat der König den Burschen kennen gelernt?«
    Turonus zuckte die Achseln. »Im letzten Jahr hat er alle möglichen seltsamen Gestalten im Palast begrüßt. Dieser Schwindler – Verzeihung, der heilige Mann Karadur – war darunter, zweifellos aus seinem eigenen Land verstoßen.«
    In der Parade folgten nun vier schöne junge Frauen, die Ehefrauen des Königs. Eine fünfte hatte erst am Vortag einem Kind das Leben geschenkt und war noch zu schwach, der Zeremonie beizuwohnen. Nach den Frauen kamen die kahlköpfigen purpurgekleideten Hohepriester des Zevetas, der ersten Gottheit des novarischen Pantheons; schließlich eine Vielzahl von Palastbeamten und die Hofdamen. Den Schluss bildete Kaeres, Xylars führender Beerdigungsunternehmer, mit sechs engen Freunden des Königs, die einen von Kaeres’ neuen Särgen trugen.
    Als die Prozession das Gerüst erreichte, schwieg die Kapelle. Während der Oberste Richter die Treppe emporstieg, verabschiedete sich König Jorian von seinen vier Frauen, die sich weinend an ihn klammerten.
    »Na, na«, sagte Jorian mit tiefer Stimme. »Weint nicht, meine Hübschen! In einem Jahr habt ihr alle Männer, die besser sind, als ich je war.«
    »Wir wollen aber keinen anderen! Wir lieben nur dich!« klagten sie.
    »Aber die Kleinen brauchen Stiefväter«, sagte er. »Und jetzt geht zurück in den Palast, damit ihr nicht seht, wie das Blut eures Herrn vergossen wird. Du auch, Estrildis.«
    »Nein!« rief die Frau, die er angesprochen hatte – die zwar hübsch, aber mit ihrer stämmigen Figur nicht gerade attraktiv war. »Ich will bis zum Ende bei dir bleiben!«
    »Du tust, was ich dir sage!« entgegnete Jorian, schob sie hinter den anderen Frauen her, wandte sich um und erstieg das Gerüst.
    Dabei wanderte sein Blick hin und her, und er lächelte und nickte dem einen oder anderen Bekannten in der Menge zu. Vielen erschien er zu fröhlich für einen Mann, der gleich seinen Kopf verlieren sollte.
    Als Jorian mit sicherem Schritt die Plattform erreichte, salutierten zwei Hellebardiere. Hinter Jorian kam der heilige Mann aus Mulvan und der Hohepriester des Zevatas.
    Am westlichen Ende der Plattform erhob sich der Block, frisch gehauen und rot gestrichen. Dahinter sorgte ein ausgespanntes Netz dafür, dass der Kopf nicht versehentlich von der Plattform rollte.
    Auf seine Axt gestützt, wartete der Scharfrichter neben dem Block. Wie Jorian trug er nur Hose und Schuhe. Er war stämmiger als der König und nicht ganz so groß. Trotz der Maske wusste Jorian, dass es sich um Uthar, den Schlachter, handelte. Xylar war ein zu kleiner Stadtstaat, um sich einen hauptberuflichen

Weitere Kostenlose Bücher