Der Schmetterlingsthron
man von ihm nicht sagen kann.«
»Dass sie meistens unglücklich ist, will ich wohl einräumen. Die Frage ist nur, ob sie bei einem anderen Mann glücklicher wäre. Ich bezweifle das, denn es ist ihre Natur, unglücklich zu sein, und alle ringsum unglücklich zu machen.« Goania warf Jorian einen prüfenden Blick zu. »Ihr habt euch doch auch einmal nahe gestanden?«
»Aye, obwohl es eher ein schmerzliches Vergnügen war.«
»Hegt Ihr sentimentale Gedanken ›sie aus dem hier herauszuholen‹ oder so?«
»N-nein«, sagte Jorian zögernd, dem tatsächlich solche Ideen durch den Kopf gegangen waren.
»Nun, wenn doch, gebt solches Vorhaben schnellstens auf. Die Natur eines erwachsenen Menschen lässt sich nicht mehr ändern. Wenn Ihr Euch wieder mit ihr einließet, würdet Ihr schnell erkennen, dass Ihr nicht eine Liebhaberin, sondern einen streitsüchtigen Raufbold gewonnen habt – und für die Rolle ist Boso dank seiner Grobheit und Dummheit weitaus besser gerüstet als Ihr.«
Jorian richtete sich auf. »Ihr vergesst, Frau Goania, dass ich fünf hübsche Frauen in Xylar zurückgelassen habe. Zumindest eine von ihnen – meine kleine Estrildis – hoffe ich eines Tages zu mir zu holen, damit ich mich niederlassen und das ruhige Leben eines einfachen Handwerkers führen kann.«
Goania schüttelte den Kopf. »Ich habe mich ein wenig mit Euch beschäftigt und auch schon Eure Hand gelesen – aber das Leben eines Handwerkers steht bestimmt nicht in Euren Sternen. Und was die Mädchen angeht, so solltet Ihr Euch an Estrildis besonders dann erinnern, wenn Ihr auf Abwege gelockt werdet.« Sie blickte zu Vanora hinüber, die von jungen Männern umringt war.
»Sie trinkt wieder ziemlich viel – da haben wir einen lebhaften Abend vor uns.«
»Wie meint Ihr das?«
Die Zauberin seufzte. »Ihr werdet sehen.«
Es wurde immer voller in der Bibliothek, und der Lärm nahm zu, da jeder schreien musste, um sich verständlich zu machen. Jorian versuchte Gespräche anzuknüpfen, hatte damit jedoch wenig Erfolg. Er musste laut brüllen, und die Antworten waren fast unverständlich. Jorians Füße schmerzten vom vielen Stehen, und sein Kopf hallte von dem Lärm wider, als schließlich zum Essen gerufen wurde. Er begleitete Goania in den Saal, aber als Lehrling musste er zusammen mit anderen seines Ranges essen, während Goania sich mit Karadur zu den Meisterzauberern setzte. Jorian erinnerte sich an Karadurs Ermahnung und beschränkte sich während des Mahls auf höfliche Antworten und knappe Fragen, die die Gesprächigkeit seiner Tischgenossen anregen sollten.
»Legt Ihr heute Abend ein Kostüm an?« fragte sein Nachbar schließlich.
»Leider nein! Mein Herr und ich sind spät eingetroffen und konnten nichts mehr vorbereiten. Aber sagt mir doch, wie dieser Wettbewerb abläuft, da dies mein erstes Konklave ist.«
»Nach dem Essen wird die Halle geräumt. Eine lange Plattform kommt drüben an die Wand. Dann versammeln sich die Kostümierten hier unten, während sich die Leute in Zivil auf die Bänke dort hinten setzen. Der Zeremonienmeister lässt sich die Namen der Kostümierten sagen und ruft sie nacheinander auf, damit sie über die Plattform schreiten, während die Preisrichter ihre Urteile fällen. Nach der allgemeinen Parade werden die besten Kostüme noch einmal über die Plattform geschickt, und dann fällen die Richter ihre Entscheidung.«
»Es gibt dabei ein paar seltsame Regeln«, sagte ein Lehrling gegenüber von Jorian. »Beispielsweise können sich Menschen als Geister verkleiden, aber Dämonen, Geister und sonstige Bewohner anderer Existenzebenen und Dimensionen dürfen am Wettbewerb nicht teilnehmen.«
»Und dann gibt es ein Verbot völliger Nacktheit«, sagte der Lehrling neben Jorian.
»Warum das?« fragte Jorian. »Ich hatte mir immer gedacht, dass gut gebaute Frauen in dem Zustand am besten aussehen.«
»Das war auch die Meinung einiger weiblicher Kongressteilnehmer, und es kam so weit, dass sich zwanzig oder dreißig Damen nackt auf die Bühne stellten und damit den Kostümball zur Nabelschau umfunktionierten. Nach großem Hin und Her kam man überein, dass ein nackter Mensch kein Kostüm trägt.«
»In anderen Worten«, sagte Jorian, »kein Kostüm ist kein Kostüm. Eine subtile philosophische und grammatische Feststellung.«
Zwei Stunden nach dem Essen kehrte die Gruppe in den Ballsaal zurück. Dabei stellte Jorian fest, dass die meisten Kostümierten – soweit er es unter den Masken erkennen
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