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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Nacht.«
    »Schläfst du bei deiner Mutter?«
    Er schlief mal hier, mal dort, manchmal in der Bude hinten bei Timo, wo Mädchen in Pension waren, manchmal bei Kromer, der ein schönes Zimmer und eine Couch hatte, manchmal bei anderen, wie es sich gerade traf. Aber in Lottes Küche stand immer ein Feldbett für ihn bereit.
    »Ich gehe nach Hause …«
    Es war gefährlich der Leiche wegen, die immer noch auf dem Bürgersteig lag. Aber noch gefährlicher war es, den Umweg über die Hauptstraße zu machen, denn dort konnte er einer Streife begegnen.
    Der dunkle Haufen lag halb auf dem schwarzen Pfad, halb im Schnee, und Frank stieg über ihn hinweg. Es war der einzige Augenblick, da er Angst hatte. Er fürchtete nicht nur, Schritte hinter sich zu hören, sondern den Eunuchen sich wieder erheben zu sehen.
    Er läutete und wartete eine ganze Weile, bis der Portier auf einen Knopf neben seinem Bett drückte und die Tür öffnete. Die ersten Stufen stieg er ziemlich rasch hinauf, dann ging er langsamer, und als er an Hoists Tür vorbeikam, unter der Licht hindurchschimmerte, begann er zu pfeifen, damit man wisse, daß er es war.
    Er ging nicht in das Zimmer seiner Mutter, die schon fest schlief, sondern in die Küche, wo er Licht machte und sich auszog. Dann legte er sich auf das Feldbett. Es roch in der Küche aber so stark nach Suppe und Porree, daß er nicht einschlafen konnte.
    Er stand darum wieder auf, öffnete die hintere Tür und zuckte die Schultern.
    An diesem Abend lag Berta in dem Bett. Ihr dicker wabbeliger Körper war ganz warm. Er stieß sie mit dem Rücken zur Seite. Sie brummte etwas und streckte einen Arm aus, den er wegschieben mußte, um für sich Platz zu machen.
    Etwas später hätte er sie beinahe genommen, weil er noch immer nicht einschlafen konnte. Dann dachte er an Sissy, die sicherlich noch Jungfrau war.
    Ob ihr Vater ihr erzählen würde, was Frank in dieser Nacht getan hatte?
2
    Als Berta aufstand, erwachte er und schlug die Augen so weit auf, daß er die großen Eisblumen an den Fensterscheiben sehen konnte.
    Das dicke Mädchen huschte barfuß in die Küche, machte dort Licht und ließ die Tür einen Spaltbreit offen, so daß nur ein schwacher Lichtschein in das Zimmer fiel. Dann hörte er, wie sie hinten in der Küche Strümpfe, Unterwäsche und ihr Kleid anzog und darauf hinausging und die Tür hinter sich schloß. Das nächste Geräusch würde das Kratzen des Schürhakens im Ofen sein. Franks Mutter verstand es, die Mädchen abzurichten. Sie war immer darauf bedacht, mindestens eine nachts in der Wohnung zu behalten. Nicht der Kunden wegen, denn von acht Uhr abends an, wenn die Tür unten geschlossen wurde, kam niemand mehr herauf. Aber Lotte brauchte Gesellschaft, und vor allem brauchte sie Bedienung.
    »Solange ich dumm und jung war, habe ich genug gehungert, und jetzt ist es Zeit, daß ich mir das Leben endlich ein bißchen hübsch mache. Jeder ist einmal an der Reihe.«
    Es war immer das gutmütigste und ärmste Mädchen, das sie unter dem Vorwand, es wohne zu weit weg und in der Wohnung sei es schön warm und sie habe ein gutes Abendessen bereit, dabehielt.
    Für alle Mädchen gab es den gleichen Morgenrock aus lila Seide, der ihnen meistens bis auf die Füße reichte. Sie waren sämtlich zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alt. Ältere wollte Lotte nicht. Und bis auf wenige Ausnahmen behielt sie sie nie länger als einen Monat.
    Die Kunden lieben Abwechslung. Es war aber überflüssig, das den Mädchen im voraus zu sagen. Sie fühlten sich hier zu Hause, besonders die vom Land, und das waren auch fast immer die, die über Nacht blieben.
    Lotte hörte gewiß wie Frank die Geräusche in der Wohnung und auf der Straße. Unwillkürlich lauschte er auf den Lärm der ersten Straßenbahn, die man schon von weitem durch die leere vereiste Straße kommen hörte und deren große gelbe Lampe er zu sehen glaubte.
    Gleich darauf hörte er zwei Kohleneimer aneinanderstoßen. Für das Mädchen, das die Nacht hier verbringen mußte, war das Kohlenholen am Morgen das schwerste. Eine, obwohl sie zäh und kräftig war, war deswegen sogar gegangen. Man mußte nämlich mit zwei schwarzen Blecheimern drei Treppen und dann noch die Kellertreppe hinuntersteigen und mit den vollen Eimern wieder heraufkommen.
    Im Haus standen alle früh auf. Es wirkte wie ein Gespensterhaus, weil der Stromeinschränkungen wegen die Leute nur noch schwache elektrische Birnen benutzten. Außerdem hatten sie nur soviel Gas, daß

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