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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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seine.
    »Die Uhren waren bei seiner Schwester versteckt. Ich bin dorthin gegangen und habe sie an mich genommen.«
    »Ist das alles?«
    Wie ein Junge, den man bei einem bösen Streich ertappt hat, sagt er trotzig: »Ich bin noch einmal umgekehrt, um die Schwester zu töten.«
    »Warum?«
    »Weil sie mich erkannt hatte.«
    »Mit wem waren Sie zusammen?«
    »Ich war allein.«
    »Wo war das?«
    »Auf dem Land.«
    »Weit von der Stadt?«
    »Etwa zehn Kilometer.«
    »Sind Sie zu Fuß dorthin gegangen?«
    »Ja.«
    »Nein!«
    »Sie haben recht: nein.«
    »Wie sind Sie hingefahren?«
    »Auf dem Fahrrad.«
    »Sie besitzen kein Fahrrad.«
    »Ich hatte mir eins geliehen.«
    »Von wem?«
    »Ich habe es gemietet.«
    »Wo?«
    »Ich weiß es nicht mehr. In einer Garage in der Oberstadt.«
    »Würden Sie die Garage wiedererkennen, wenn man Sie in die Oberstadt führte?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und wenn man Ihnen den Lieferwagen zeigen würde, den Sie benutzt haben, würden Sie den wiedererkennen?«
    Auch das wissen sie also. Es ist niederschmetternd.
    »Sie werden ihn morgen auf dem Hof sehen.«
    Er antwortet nicht. Er hat Durst. Sein Hemd ist unter den Armen feucht, und in seinen Schläfen beginnt es zu hämmern.
    »Wo haben Sie Karl Adler kennengelernt?«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Aber er fuhr doch den Lieferwagen.«
    »Es war dunkel.«
    »Was wissen Sie von ihm?«
    »Nichts.«
    »In dem Lieferwagen war ein Sender.«
    »Ich habe ihn nicht gesehen. Es war dunkel. Ich habe nicht nach hinten geblickt.«
    »Wer war hinten?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Saß dort jemand?«
    »Ja.«
    »Dann hat man ihn Ihnen doch vorgestellt. Wer hat es getan?«
    »Kromer.«
    »Wo?«
    »In einer Bar gegenüber dem Kino.«
    »Wer war bei ihm?«
    »Er war allein.«
    »Unter welchem Namen hat er Ihnen seinen Kameraden vorgestellt?«
    »Er hat keinen Namen genannt.«
    »Würden Sie den, der hinten saß, wiedererkennen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Beschreiben Sie ihn.«
    »Er war ziemlich dick und trug einen Schnurrbart.«
    Er lügt und gewinnt damit immerhin Zeit.
    »Fahren Sie fort.«
    »Er trug einen Monteuranzug.«
    »In der Bar?«
    »Ja.«
    Den scheinen sie nicht zu kennen. Das spürt man. Frank riskiert also nichts.
    »Warten Sie. Ich glaube, er hatte eine Narbe.«
    Er denkt an das Messinglineal. Er schwindelt weiter.
    »Quer über der linken Wange … Ja.«
    »Sie lügen, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Es würde mir leid tun, wenn Sie lügen, denn dann könnte ich den beantragten Besuch grundsätzlich nicht genehmigen.«
    »Ich schwöre Ihnen, ich kenne ihn nicht.«
    »Die Narbe?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Die Personenbeschreibung?«
    »Das weiß ich auch nicht mehr. Ich würde ihn zweifellos wiedererkennen, wenn ich ihn sähe, aber ich kann ihn nicht beschreiben.«
    »Die Bar?«
    »Das stimmt.«
    »Karl Adler?«
    »Ich weiß nicht, warum ich seinen Namen behalten habe. Ich habe ihn zweimal auf der Straße wiedergesehen. Er hat mich nicht erkannt oder hat so getan, als ob er mich nicht erkenne.«
    »Der Sender?«
    »Davon haben sie mir nichts gesagt.«
    Wird er die Erlaubnis bekommen? Er blickt ängstlich in das Gesicht des Chefs, der seinen heimlichen Spaß daran zu haben scheint, eine noch undurchdringlichere Miene aufzusetzen als sonst. Er dreht eine Zigarette.
    Dann sagt er langsam und ruhig: »Karl Adler ist gestern von einer anderen Dienststelle erschossen worden. Er hat nichts ausgesagt. Wir müssen seine Komplicen finden.«
    Da wird Frank plötzlich dunkelrot. Wird man ihm einen Handel anbieten, wie ihn Lotte angenommen hat?
    Er weiß nichts. Das ist wahr. Sie müssen allmählich davon überzeugt sein. Aber er könnte etwas wissen. Man könnte sich seiner bedienen, um etwas zu erfahren.
    Er atmet schwer. Er weiß nicht, wohin er blicken soll. Wieder einmal schämt er sich. Was wird er tun, wenn man ihn brutal vor die Entscheidung stellt und ihm diesen Handel vorschlägt? Was würde Holst tun?
    Er schließt die Augen. Es wäre zu schön gewesen. Er darf nicht mehr darauf zählen. Es wird zweifellos nie geschehen. Er weint nicht. In einem solchen Augenblick wie diesem weint er nicht, würde er nie weinen.
    Er wartet. Der Chef scheint mit seinen Zetteln zu spielen. Warum schweigt er? Man hört nur das Bullern des Ofens. Ein paar Minuten verstreichen, dann wagt Frank, wieder die Augen zu öffnen, und sieht den Zivilisten, der neben ihm steht und wartet, um ihn wieder abzuführen. Der Soldat steht schon an der Tür.
    Es ist zu Ende.

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