Griechisches Feuer
1. KAPITEL
Alles hatte mit einem Klingeln begonnen.
Eigentlich etwas ganz Alltägliches, aber dennoch hatte sich Grace' Leben danach für immer verändert. Ihr Glück und all ihre Zukunftsträume waren auf einen Schlag zerstört worden. Sogar jetzt noch, obwohl schon zwei Jahre seit diesem Tag vergangen waren, zuckte sie jedes Mal von neuem zusammen, wenn es an der Haustür klingelte.
"Gracie, Schatz", rief Ivan aus der Küche, wo er gerade seinen für Autofahrer ungeeigneten
Spezialfruchtpunsch
zubereitete. "Willst du nicht endlich aufmachen, oder bist du zur Salzsäule erstarrt?"
"Sehr witzig."
Grabe war noch nicht einmal aufgefallen, dass sie so lange gezögert hatte. Sie riss sich zusammen und ging zur Tür, als ein zweites, gebieterisches Klingeln ertönte. Eigentlich gab es ja keinen Grund, so zu reagieren. Schließlich lag dieser furchtbare Tag schon volle zwei Jahre zurück, und sie befand sich auch nicht im Haus ihres Vaters, sondern in
Ivans
Erdgeschosswohnung in einem eleganten, im viktorianischen Stil gebauten Wohnblock. Und die lockere, laute Party, die ihr Freund anlässlich seines dreißigsten Geburtstags gab, hatte keine Ähnlichkeit mit der bis ins Letzte geplanten High-Society-Hochzeit vor zwei Jahren.
"Ich wusste nicht, dass wir noch jemanden erwarten!" Mit einem gequälten Lachen versuchte Grace, das flaue Gefühl im Magen zu vertreiben. "Wie viele Leute hast du eigentlich eingeladen? Wenn noch mehr Gäste kommen, müssen wir draußen weiterfeiern! "
"Eine Party ist erst dann ein Erfolg, wenn vor lauter Gedränge keiner mehr umfallen kann!"
Aber Grace hörte kaum hin. Das Gefühl der bösen Vorahnung war noch stärker geworden. Ein Blitz kann nicht zwei Mal einschlagen, beruhigte sie sich. Auf jeden Fall nicht der Blitz, an den sie gerade dachte.
Schließlich gab sie sich einen Ruck, atmete tief durch und öffnete die Tür - allerdings mit sehr viel mehr Schwung, als sie eigentlich geplant hatte. Grace taumelte und hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.
"Immer mit der Ruhe ..."
Sie hatte das Gefühl, jemand hätte ihr einen Faustschlag in den Magen versetzt. Diese tiefe, sinnliche Stimme und dieser ausländische Akzent ... Alles war ihr so vertraut und rief erschreckend lebendige Erinnerungen hervor. Ihre Gedanken rasten, und ihr wurde schwindlig. Mühsam blickte Grace auf und sah in das Gesicht des Mannes.
Tiefschwarze Augen, in denen sie zu ertrinken glaubte.
Augen, die sich vor langer Zeit in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten und die sie nie wieder vergessen konnte.
Aber das war nicht alles. Sonnengebräunte Haut, ausgeprägte Gesichtszüge, ein schöner Mund mit sanften Lippen. Sein Haar war so dunkel wie die Schwingen eines Raben und sehr kurz.
Es war, als wäre Grace durch eine Laune des Schicksals in die Vergangenheit versetzt worden und von neuem ihren Gefühlen hilflos ausgeliefert.
"Alles in Ordnung?"
Erst jetzt merkte sie, dass er hilfreich ihren Arm ergriffen hatte. Als er sicher war, dass sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte, sah er sie prüfend an.
"Du!" Seine Stimme war eiskalt, und die Besorgnis in seinem Blick wich einer so tiefen Verachtung, dass Grace zusammenzuckte. "In dieser Verkleidung bist du kaum wieder zu erkennen."
Grace fühlte sich durch den Schock des Wiedersehens wie gelähmt. So wie es schien, konnte ein Blitz doch zwei Mal einschlagen - jedenfalls war es bei diesem griechischen Blitz so.
Die Wirkung, die dieser Mann auf sie hatte, war nur mit einer Naturkatastrophe zu vergleichen.
"Constantine!"
Es war ihr fast nicht möglich, diesen Namen auszusprechen, denn sie hatte ihn so lange nicht über die Lippen gebracht.
Damals hatte sie sich geschworen, ihn nie wieder zu nennen.
Aber sein plötzliches Auftauchen brachte sie völlig aus der Fassung.
"Was ... was machst du denn hier?"
Sein spöttischer Blick zeigte Grace, was er von ihr hielt, Nur ein Dummkopf würde eine solche Frage stellen. Und wenn es etwas gab, was Constantine Kiriazis hasste, dann war es der Umgang mit dummen Leuten.
"Ich bin eingeladen worden", erklärte er kurz angebunden und nahm so unvermittelt seine gepflegte, sonnengebräunte Hand von ihrem Arm, als hätte er sich verbrannt. Diese Reaktion zeigte ihr nur zu deutlich, dass ihm jeder Kontakt mit ihr zuwider und die Kluft zwischen ihnen größer war als die wenigen Zentimeter, die sie jetzt voneinander trennten.
"Hier findet doch die Party statt, oder?"
Grace nickte. Das Lachen, die laute Musik
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