Der Schnupfen
übrigens, was kann es für einen Zusammenhang geben zwischen dem Haarausfall und einem heftigen Anfall von Wahnsinn?«
»Und was für einen zwischen dem Wahnsinn und der Zuckerkrankheit?«
»Sie haben recht, Herr Doktor, das ist eine verbotene Frage.«
»Habt ihr den Haarausfall völlig außer acht gelassen?«
»Na, wissen Sie, das ist so. Wir haben die Zahl derer, die umgekommen sind, verglichen mit der Zahl derer, die heil aus Neapel heimgekehrt sind. Natürlich ist diese Eigenschaft dabei aufgetaucht. Die Schwierigkeit bestand zunächst darin, daß man den Haarausfall nur bei Toten mit Sicherheit feststellen kann, denn vielleicht haben manche der Davongekommenen nicht zugegeben, daß sie eine Perücke tragen. In diesem Punkt ist das Selbstgefühl des Menschen unheimlich empfindlich, und es wäre schwierig gewesen, die Leute gegen ihren Willen an den Haaren zu ziehen und sich von nahem anzuschauen. Eine Diagnose hätte das Auffinden des Betriebes vorausgesetzt, in dem sich der Betreffende hatte eine Perücke machen oder Haare einpflanzen lassen, und dafür hatten wir ganz einfach keine Zeit mehr und keine Leute.«
»Habt ihr das für so wesentlich gehalten?«
»Die Meinungen waren geteilt. Manche glaubten, es sei ohne jede Bedeutung, besonders soweit es um die Feststellung geht, wer unter den davongekommenen Patienten Stellas seinen Haarausfall verbirgt und weichen Zusammenhang das haben könnte mit den tragischen Unfällen der anderen Rheumatiker.«
»Nun gut, aber wenn ihr auch den Zustand des Haars beachtet habt, warum waren Sie dann eben so überrascht?«
»Leider eine negative Korrelation. Ich war davon überrascht, daß keiner von den Toten seine Glatze versteckt hat. Keiner trug eine Perücke, keiner eine Transplantation oder in die Kopfhaut eingepflanzte Haare - es gibt so eine Operation.«
»Ich weiß. Und?«
»Sonst nichts, außer daß alle Opfer an Haarausfall litten und das nicht versteckten, während es unter den Davongekommenen sowohl Glatzköpfe als auch Leute mit normalem Haarwuchs gab. Ich habe mir gerade klargemacht, daß Decker eine kleine Glatze hatte, mehr nicht. Es schien mir, als wäre ich auf eine heiße Spur gestoßen. Dieser Eindruck überfällt mich manchmal. Bitte verstehen Sie, ich stecke schon seit langem in der Sache und sehe hin und wieder eine Fata Morgana, Gespenster…«
»Oh, das riecht nach Heimsuchung, rätselhaftem Fluch, Gespenstern… und vielleicht ist etwas daran?«
»Sie glauben an Gespenster?« Ich starrte ihn an.
»Vielleicht genügt es, wenn sie glaubten. Was meinen Sie? Nehmen wir einmal an, in Neapel wirkt ein Wahrsager, der auf reiche Ausländer Jagd macht… «
»Gut, nehmen wir einmal an!« Ich rückte mich auf dem Sessel zurecht. »Und weiter?«
»Man kann sich ungefähr vorstellen, wie er mit Hilfe von allerlei Tricks und Seancen versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen, wie er ihnen kostenlos Proben eines Wunderelixiers direkt aus Tibet gibt, irgendeinen narkotischen Absud, der ihre vollständige Abhängigkeit von ihm bewirken oder jedes nur mögliche Leiden heilen soll - und unter hundert derartigen Menschen nehmen - sagen wir einmal - zehn oder elf aus Leichtsinn eine zu große Dosis auf einmal… «
»Ach so!« sagte ich. »Na ja, aber von so einem Wahrsager hätten die Italiener gewußt. Ich meine, ihre Polizei. Außerdem haben wir den Tageslauf bestimmter Opfer so genau rekonstruiert, daß wir wissen, zu welcher Zeit es das Hotel verlassen hat, wie es angezogen war, an welchem Kiosk es sich Zeitungen gekauft hat, und was für welche, in welcher Kabine es sich am Strand ausgezogen, wo und was es gegessen, was es in der Oper gesehen hat; wir hätten also in dem einen oder anderen Fall einen Wahrsager oder Guru übersehen können, nicht aber in allen. Nein, so einen gab es nicht. Und außerdem ist das auch wenig wahrscheinlich. Italienisch konnten sie nicht - und ginge denn ein Schwede mit Hochschulbildung, ein Antiquar, ein angesehener Unternehmer zu einer italienischen Wahrsagerin? Außerdem - sie hatten keine Zeit dazu… «
»Ich bin überzeugt, aber nicht geschlagen, und schieße noch einmal!« Barth erhob sich aus seinem Lehnsessel.
»Wenn sie auf einen Haken gebissen hatten, der sie ganz sanft zog, dann war es ein Haken, der keine Spuren hinterließ, einverstanden?”
»Ja.«
»Also, DAS packte sie auf private, intime, persönliche und zugleich flüchtige Weise. Sex?! «
Ich zögerte eine Weile mit der Antwort.
»Nein. Gewiß, einige
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