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Der Schnupfen

Der Schnupfen

Titel: Der Schnupfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hatten flüchtige    erotische    Kontak
    te, aber das ist nicht DAS. Wir haben uns ihr Leben so genau angesehen, daß so etwas Wichtiges wie Frauen, Exzesse, Bordelle uns nicht entgangen wäre. Es    muß    einfach    et
    was völlig Geringfügiges gewesen sein… «
    Über meine letzten Worte wunderte ich mich selbst, denn eigentlich hatte ich bisher nicht so gedacht. Doch war das Wasser auf Barths Mühle.
    »Eine tödliche Geringfügigkeit? Warum nicht! Ein geheimer, vor der Welt sorgfältig verborgener Trieb, dem man nachgibt … Und dabei kann es etwas sein, dessen Sie und ich uns nicht schämen würden. Vielleicht wäre die Enthüllung dieses Faibles nur für eine bestimmte Art von Menschen eine katastrophale Blamage.«
    »Der Kreis hat sich geschlossen, ich sehe, Sie sind auf ein Feld zurückgekehrt, von dem Sie mich vorhin vertrieben haben, die Psychologie… «
    Draußen vor dem Fenster hupte jemand. Der Doktor stand auf - er wirkte unerwartet jung -, schaute hinab und drohte mit dem Finger. Das Signal verstummte. Verwundert stellte ich fest, daß es dämmerte, ich sah auf die Uhr und fühlte mich nicht wohl - schon seit über drei Stunden saß ich bei ihm.
    Ich stand auf, um mich zu verabschieden, aber er wollte nichts davon hören.
    »O nein, Monsieur. Erstens bleiben Sie bei uns zum Abendessen, zweitens haben wir nichts beschlossen, und drittens oder eigentlich allererstens möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe die Rollen vertauscht. Ich habe Sie mir vorgenommen wie ein Untersuchungsrichter. Ich verhehle nicht, daß ich dabei ein bestimmtes, des Gastgebers unwürdiges Ziel verfolgte.. , ich wollte etwas über Sie und von Ihnen erfahren, was ich aus den Akten nicht er-fahren kann. Die Aura des Falles kann nur ein Mensch übermitteln, das ist meine Überzeugung. Außerdem habe ich versucht, Sie ein bißchen anzuspornen, sogar mit Nadelstichen, und ich muß sagen, Sie haben das gut ertragen, obwohl Sie gar nicht so ein Pokergesicht haben, wie Sie sich vielleicht einbilden … Wenn etwas mich in Ihren Augen rechtfertigen kann, dann der gute Wille, denn ich bin bereit, mich da einspannen zu lassen … Aber setzen wir uns doch. Noch ist der Tisch nicht gedeckt. Bei uns wird geklingelt.«
    Wir setzten uns erneut. Ich fühlte mich nicht wenig erleichtert.
    »Ich werde mich dessen annehmen«, fuhr er fort, »obwohl ich keine großen Chancen sehe … Darf ich fragen, wie Sie sich eigentlich meine Beteiligung vorgestellt haben?«
    »Diese Sache erlaubt wohl die Anwendung einer Analyse mit vielen Faktoren«, begann ich vorsichtig und wog die Worte. »Ich kenne Ihr Programm nicht, kenne aber eine gewisse Anzahl von Programmen des Typs GPS und meine, das Strafverfolgungsprogramm müßte ähnlich sein.
    Es handelt sich weniger um ein kriminelles, als um ein erkenntnismäßiges Rätsel. Natürlich wird der Computer nicht den Täter zeigen, aber man kann den Täter als Unbekannte, getrost aus den Gleichungen entfernen. Die Sache lösen hieße die Theorie des Sterbens dieser Menschen schaffen, das Gesetz, das sie tötete… «
    Dr. Barth sah mich gleichsam mitleidig an. Aber vielleicht kam mir das nur so vor, denn er saß unter der Dek-kenlampe, und schon bei der kleinsten Bewegung huschten Schatten über sein Gesicht,
    »Mein lieber Herr, als ich sagte, wir wollten es versuchen, hatte ich ein Gespann von Menschen im Sinn, nicht eines von Elektronen. Ich habe ein vorzügliches interdis-ziplinäres Team, einige der besten Köpfe Frankreichs, und bin sicher, daß sie darauf losgehen werden wie der Jagdhund auf den Fuchs. Das Programm dagegen … ja, wir haben es aufgestellt, es hat sich bei einigen Versuchen als nicht übel erwiesen, aber solch eine Geschichte, nein, nein…« Er schüttelte den Kopf. »Warum?«
    »Das ist ganz einfach. Ein Computer tut nichts ohne Quantifizierung, und« - hier breitete er die Hände aus -»was wollen wir quantifizieren? Angenommen, in Neapel wirkt ein neuer Dealerring und das Hotel ist eine der Verteilstellen, angenommen, man liefert den Käufern die Ware, indem man das Salz in einem bestimmten Salznäpfchen ersetzt, könnte sich da nicht gelegentlich eine Vertauschung der Salznäpfchen auf den Tischen im Speisesaal ereignen? Und wie, frage ich Sie, soll ein Computer dahinterkommen, wenn sich unter dem eingegebenen Material kein einziges Bit über diese Salznäpfchen, über die Droge und über die kulinarischen Gelüste der Opfer befindet?«
    Ich sah ihn voller

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