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Der Schnupfen

Der Schnupfen

Titel: Der Schnupfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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weit, wie die Schale dick ist.«
    »Sind Sie bescheiden?«
    »Eigentlich nicht.«
    Es war ein recht merkwürdiges, ich kann nicht sagen unangenehmes Gespräch, denn die alte Dame besaß eine besondere Anmut. Ich regte mich also über die Fortsetzung des Verhörs nicht auf.
    »Meinen Sie, daß Frauen in den Kosmos fliegen sollten?«
    »Darüber habe ich nicht nachgedacht«, entgegnete ich der Wahrhelt entsprechend. »Wenn Ihnen daran gelegen wäre, warum nicht?«
    »Ihr habt da in den Staaten das Zentrum dieser verrückten Bewegung - Womens Liberation. Kindisch ist das, geschmacklos, aber wenigstens angenehm.«
    »Meinen Sie? Warum angenehm?«
    »Es ist angenehm zu wissen, wer an allem schuld ist.
    Nach der Ansicht dieser Frauen - die Männer. Erst sie werden die Welt in Ordnung bringen. Sie wollen eure Plätze einnehmen. Zwar ist das Unsinn, aber Sie haben ein klares Ziel, und ihr habt nichts.«
    Nach dem Dessert, einem großen Rhabarberkuchen mit Zucker, entwischten die Kinder aus dem Eßzimmer, und ich machte mich auf den Rückweg. Nachdem er erfahren hatte, daß ich in Orly wohne, bat mich Dr. Barth dringlich,
    zu ihm umzuziehen. Ich wollte ihn nicht so sehr ausnützen, doch die Versuchung war groß. Brutal gesagt, ich sollte ihm auf der Pelle sitzen.
    Frau Barth schloß sich den Bitten ihres Mannes an und zeigte mir das noch leere Gästebuch - welch ein Omen, wenn sich als erster ein Astronaut eintrüge. Wir fochten mit Höflichkeiten, bis ich nachgab. Es blieb dabei, ich würde am nächsten Tag zu ihnen ziehen. Der Doktor brachte mich zu meinem Wagen, und als ich einstieg, sagte er, seine Großmutter habe sichtlich Gefallen an mir gefunden, das sei keine geringe Auszeichnung. Er stand in der offenen Haustür, als ich losfuhr und in das nächtliche Paris eintauchte.
    Um den dichten Verkehr zu meiden, umkreiste ich das Zentrum und wählte die Boulevards an der Seine, w° er etwas dünner war - die Mitternacht nahte. Ich war ziemlich müde, aber froh. Das Gespräch mit Barth hatte mich mit einer unbestimmten Hoffnung erfüllt. Ich fuhr langsam, weil ich ziemlich viel Weißwein getrunken hatte. Vor mir tauchte ein kleiner 2 CV auf, er schlich mit übergroßer Vorsicht am Rinnstein entlang. Zudem war die Fahrbahn leer, jenseits der Geländer am Fluß sah ich auf dem Seineufer gegenüber die großen Lager der Warenhäuser. Ich sah sie, ohne es zu wissen, denn meine Gedanken waren weit fort, als die Lichter des Wagens hinter mir wie zwei Sonnen im Rückspiegel aufleuchteten. Ich machte mich gerade daran, den kleinen 2 CV zu überholen, und war etwas zu weit nach links geraten, wollte also, um dem nächtlichen Wettrennen Platz zu lassen, wieder hinter das Autochen einscheren, aber dazu kam es nicht. Die Lichter von hinten überschwemmten das Innere meines Wagens, und eine abgeflachte Form zischte kreischend zwischen mir und dem Kleinwagen hindurch. Ehe ich mich, von der Druckwelle getroffen, auf dem Sitz des Peugeot zurechtrücken konnte, war der andere schon verschwunden. Irgend etwas fehlte an meinem rechten Kotflügel. Vom Spiegel war nur der Stiel übrig. Er hatte ihn mir abrasiert. Ich rollte weiter und überlegte mir: Wenn ich nicht soviel Wein getrunken hätte, läge ich jetzt unter den Trümmern dieses Autos, weil ich die Lücke noch versperrt hätte, die jener benutzte. Was hätte dieser Unfall Randy zu denken gegeben! Wie gut hätte mein Tod zu dem neapolitanischen Schema gepaßt! Wie sicher wäre Randy gewesen, daß er mit der Simulationsaktion zusammenhinge. Anscheinend war mir nicht bestimmt, der zwölfte zu werden - ich erreichte das Hotel ohne weitere Abenteuer.
    Barth wollte der Übernahme des Falles durch sein Team den Akzent des Unmittelbaren verleihen, vielleicht auch mit seinem neuen Haus glänzen, genug, am vierten Tag meines Aufenthaltes dort» an einem Sonntag, fand eine Begrüßungsparty statt. Es sollten über zwanzig Gäste kommen. Für offizielle Auftritte nicht gerüstet, nahm ich mir vor, am Sonnabend nach Paris zu fahren, um mir entsprechende Kleidung zu besorgen, doch Barth redete mir das Vorhaben aus. Also stand ich in abgenutzten Jeans und einem vertragenen Pullover, denn meine besseren Sachen hatte mir die italienische Polizei verdorben, mit ihm und seiner Frau am Hauseingang. Die Wände der Parterrezimmer waren auseinandergeschoben, die Hälfte des Hauses hatte sich auf diese Weise in einen geräumigen Salon verwandelt. Der Abend war recht eigenartig. Unter den bärtigen Jünglingen

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