Der Schnupfen
Neuigkeit einzeln verdauen, um uns gegenseitig nicht etwas zu suggerieren, und die Schlüsse abends gegenüberstellen. Er war gern einverstanden. Um drei Uhr ging ich in den Garten, wo hinter der Altane der kleine Pierre auf mich wartete. Das war unser Geheimnis.
Er zeigte mir das Material zu seiner Rakete. Eine Waschwanne sollte die erste Stufe bilden. Kinder sind empfindlicher als alle anderen Menschen, ich sagte ihm also nicht, daß eine Waschwanne sich nicht als Booster eigne, aber ich zeichnete ihm die Stufen der Saturn V und IX in den Sand. Um fünf ging ich, wie mit Barth verabredet, in die Bibliothek. Er überraschte mich, als er einleitend sagte, wenn man in Frankreich am Faktor X arbeite, so geschehe das gewiß auch in anderen Ländern. Derartige Arbeiten liefen gewöhnlich parallel. Also könnten auch die Italiener … Mag sein, man muß die Sache auf eine ganz neue Weise betrachten. Das Präparat muß nicht in Regierungslabors entstehen, sondern eventuell auch bei einer Privatfirma.
Ein Chemiker, der im Kontakt mit Extremisten stand, konnte es gefunden haben, oder - noch wahrscheinlicher -eine gewisse Menge der Verbindung war einfach gestohlen worden. Die Leute, die darüber verfügen, wissen selbst nicht, wie sie es mit dem größtmöglichen Effekt anwenden können. Was also tun sie? Experimente … Aber warum sind die Opfer Ausländer in einem bestimmten Alter, Rheumatiker und so weiter?
Auch darauf hatte er eine Antwort.
»Versetzen Sie sich in die Lage des Leiters einer solchen Gruppe. Sie haben gehört, das Präparat hätte eine unge-heute Wirkung, aber welche, wissen Sie nicht genau. Moralische Bedenken haben Sie nicht. Es muß an Menschen ausprobiert werden. Aber an was für welchen? Natürlich nicht an den eigenen. Also? An irgend jemandem? Der Irgend jemand ist Italiener, umgeben von einer zahlreichen Familie. Die ersten Symptome drängen sich der Familie als Wesensveränderung auf, ein Italiener also würde sich binnen kurzem beim Arzt oder in einer Klinik befinden.
Ein einsamer Mensch hingegen kann Gott weiß was tun, ehe sich seine Umgebung dafür interessiert, ganz besonders aber im Hotel, dort werden die Sonderbarkeiten der Gäste voll respektiert. Je besser das Hotel, desto größer die Isolierung. In einer Pension dritten Grades steckt die Inhaberin ihre Nase in jede Bewegung der Mieter, im >Hilton, dagegen kann man auf den Händen gehen und erregt keinerlei Aufmerksamkeit. Verwaltung und Bedienung zucken nicht mit der Wimper, solange es zu keiner kriminellen Handlung kommt. Fremdsprachigkeit ist ein zusätzlicher Isolierungsfaktor. Nicht wahr?«
»Und das Alter? Die Allergie? Der Rheumatismus? Der Schwefel?«
»Das Versuchsergebnis wird um so deutlicher, je größer der Unterschied zwischen dem Verhalten vor und nach Verabreichung des Präparats ist. Ein junger Mensch wird nicht warm, heute ist er in Neapel, morgen auf Sizilien, ein älterer Herr indessen ist ein geradezu ideales Objekt, und schon gar ein Kurgast, weil er sich genau nach der Uhr bewegen wird - vom Arzt zur Badeanstalt, vom Solarium zum Hotel. Darum wird sich die Folge der Vergiftung wie auf der flachen Hand präsentieren… «
»Und das Geschlecht?«
»Auch nicht zufällig. Warum ausschließlich Männer?
Nicht vielleicht deshalb, weil man nur Männer mit dieser neuen Methode zu treffen beabsichtigt? Das scheint mir geradezu der Schlüssel zu sein, es würde auf einen par excellence politischen Hintergrund der Sache hinweisen. Wenn man hervorragende Politiker erreichen will - also Männer -was meinen Sie?«
»Da ist etwas dran…«, gab ich verwundert zu. »Sie meinen also, da sie ihre Leute in den Hotels hatten, wäre ihre Wahl auf eine gewisse Kategorie Gäste gefallen, und diese Gäste hätten vielleicht sogar im Alter etwa den Politikern entsprochen, auf die sie es bei Ihren Umsturzplänen abgesehen hatten? Ja? Haben Sie das vermutet?«
»Ich möchte lieber kein vorschnelles Urteil fällen. Besser, man engt den Kreis der zu Beobachtenden nicht ein…
Noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren hätte sogar dieses Konzept nach einer unsinnigen Sensation aus Romanen gerochen. Heute aber… Sie verstehen…«
Ich verstand und seufzte, weil mir die Aussicht auf eine Wiederaufnahme der Untersuchung gar nicht gefiel. Eine Weile überlegte ich iedes Pro und Contra.
»Zugegeben, ich bin baff. Aber da bleibt noch eine Menge Unverständliches. Warum nur Allergiker? Was ist mit dem Haarausfall? Nun, und die Jahreszeit,
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