Der schottische Verfuehrer
griff nach ihrer Halskette, an der versteckt das sorgfältig gearbeitete Gegenstück dazu hing. „Sieh, dasselbe Motiv.“ Vor Freude glätteten sich seine harten Gesichtszüge. „Du bist sehr geschickt“, meinte er leise, „wie unsere Mutter.“
Tränen stiegen in ihr auf. Kein anderes Kompliment hätte sie so im Innersten berührt. „Ich wollte es dir schon vor zwei Mo
naten geben. Aber heute ... heute sehe ich dich das erste Mal, seit ich es fertig habe.“
Vorsichtig faltete er das Tuch mit der feinen Stickerei darin zusammen. „Es ist schön. Und wäre dir gefährlich geworden, wenn man dich bei der Arbeit daran erwischt hätte.“
„Du bist jedes Risiko wert.“
Symon zog sie zärtlich zu sich heran. „Vielen Dank.“
Isabel schmiegte sich an ihn und genoss den Augenblick.
Plötzlich war von draußen das Scharren von Stiefeln zu hören.
Isabel schreckte in den Armen ihres Bruders auf und wirbelte zum Eingang herum. Bitte, Gott, mach, dass es nicht wahr ist!
Die Tür flog auf. Mit gezücktem Schwert verstellten Ritter jeden Fluchtweg, während sich ihr Anführer vor ihnen aufbaute.
Frasyer!
Symon zog sein Claymore und stellte sich schützend vor Isabel.
Fluchend griff auch ihr Vater nach seinem Schwert und rückte eng neben seinen Sohn.
Der Earl schob sich die wollene Kapuze aus dem Gesicht. Die streng hinter dem Kopf zusammengebundenen braunen Haare betonten noch seine grauen Augen, kalt wie ein beißender Wintersturm. Er wandte sich Symon zu, und seine Nasenflügel bebten vor bösartiger Befriedigung.
Isabel stürmte nach vorn. „Nein!“
Doch Symon griff nach ihrem Arm und drängte sie wieder hinter sich. „Bleib zurück!“ Er erhob das Claymore gegen den Earl.
„Wie rührend! Anscheinend störe ich bei einem Familientreffen.“ Frasyer sprach gedehnt, während sich die Ritter in dem engen Raum hinter ihm verteilten. Er presste die Kiefer aufeinander und musterte Isabel kalt. „Und du. Wie kannst du es wagen, meine Befehle zu missachten, um dich mit diesem Rebellen zu treffen?“
„Symon gehört zu meiner Familie.“
„Dein Bruder ist ein Verräter, und so soll er behandelt werden. “ Frasyer nickte in Richtung ihres Vaters. „Wie auch Lord Caelin. “
„Lasst sie gehen, Mylord. Bitte.“ Sie bemühte sich, keine Nervosität zu zeigen, aber ihre Stimme zitterte vor Angst.
Frasyer wies zur Tür. „Kehr zurück nach Burg Moncreiffe. Deinem Verrat widme ich mich später.“
Sie kannte diesen ruhigen Ton, den er immer dann anschlug, wenn seine Wut am stärksten war. In der Vergangenheit hatte sie stets Gott gedankt, dass er nicht sie gemeint hatte. Doch jetzt zweifelte sie, ob selbst Gott ihr würde helfen können.
„Und Ihr“, sagte Frasyer zu Symon, wobei der Zorn, der in seinen Augen loderte, seine ruhige Stimme Lügen strafte, „Ihr werdet mir sagen, wo Wallace sich versteckt, dann werde ich vielleicht Euer wertloses Leben verschonen.“
Symon spuckte auf den Boden. „Eher sterbe ich, als dass ich Ungeziefer wie Euch etwas verrate.“
Wütend verfärbten sich Frasyers Wangen, schneidend fiel sein Blick auf Isabel. „Sei nicht ungehorsam. Geh schon!“
Sie schluckte schwer. „Damit Ihr sie töten könnt?“
Frasyer schaute sie eindringlich an und schien zu begreifen. Ein gemeines Lächeln umspielte seinen Mund. „Du weißt, wo Wallace sich versteckt.“
„Sag diesem Hund nichts“, knurrte Symon.
Angst schnürte ihr die Kehle zu. Warum nur hielt ihr Bruder sich nicht zurück? Jetzt konnte sie sagen, was sie wollte: Frasyer würde ihr nicht glauben, wenn sie beteuerte, nicht zu wissen, wo sich der Kopf der Rebellen versteckte.
Sie berührte den Dolch, den sie in den Falten ihres Umhangs verborgen hielt. Wenn sie sich Frasyer weit genug nähern konnte, vielleicht könnte sie ihn dann überraschen und so ihrem Vater und ihrem Bruder Gelegenheit zur Flucht verschaffen.
„Kann ich Euch alleine sprechen, Mylord?“
Frasyer zog die Augenbrauen hoch. „Sprich!“
Sie versuchte, sich seitwärts zwischen Vater und Bruder hindurchzuschieben, doch die beiden bewegten sich nicht von der Stelle. „Lasst mich durch!“
„Frasyer wird sich nicht mit dir zufriedengeben“, meinte Symon.
Der Blick des Earls richtete sich dorthin, wo sie ihre Waffe griffbereit versteckt hielt. „Sei nicht so dumm, mich anzugreifen,
Isabel. Ich bin in Begleitung von zweiundzwanzig meiner besten Ritter.“ Als sie nichts erwiderte, verzerrten sich seine Gesichtszüge zu einer
Weitere Kostenlose Bücher