Der Schrecken aller Geister
Gummiball hüpfte er auf seinen Hinterfüßen in die Höhe, und es gelang ihm tatsächlich, mit der Nase das Päckchen zu erreichen.
„Schämst du dich nicht, so aufdringlich zu sein?“ schimpfte der Detektiv und löste, selbst gespannt, auf dem Weg in die gute Stube den Bindfaden. Ein Kärtchen fiel ihm entgegen.
„Lieber Herr Pfiff“, begann der handgeschriebene Text, „hier einen Leckerbissen für Ihren Pinsel und ein kleines Präsent für Sie. Vielleicht macht es Ihnen Spaß und hilft Ihnen festzustellen, daß Sie gar nicht unmusikalisch sind. Bis morgen. Ich freue mich auf Ihren Besuch! Ihr Erasmus Goldgruber.“
Balduin Pfiff versenkte sich in die Sofaecke. „Hehehehe“, lachte er Pinsel zu, „ich bin neugierig wie die alte Selma Schniffel vom Erdgeschoß.“
Er hob den Deckel der Schachtel und sah auf zwei eingewickelte längliche Gegenstände.
„Wau-wau!“ machte Pinsel, und seine rosa Zunge überfuhr blitzschnell die Nasenspitze.
„Immer langsam!“ rief Balduin Pfiff und drückte vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger zuerst die eine, dann die andere Länglichkeit. Während sich die eine fest anfaßte, ließ sich die andere weich zusammendrücken.
„Natürlich, das ist eine Wurst für Pinsel.“
„Wau-wau-wau!“ Pinsel hielt es jetzt nicht mehr unten. Mit einem Satz nahm er neben Balduin Pfiff auf dem Sofa Platz.
„Pf-pf-pf-pf-pf…“ schnüffelte er mit seiner fast unsichtbaren Nase, während der Stummelschwanz hin und her pendelte.
Es war eine dicke, saftige Knackwurst, die der Detektiv auswickelte. So recht dazu geschafften, einem Hund wie Pinsel das Wasser in der kleinen Schnauze zusammenlaufen zu lassen.
„Hier, Pinsel, mit einem schönen Gruß vom Flötenspieler!“
Pinsel schnappte sich das Prachtexemplar und verschwand damit blitzschnell auf seinen Platz neben dem Kachelofen.
Balduin Pfiff dagegen packte weiter aus. Ein Kästchen... und dann staunte er. Was da in seiner Hand lag und blinkte, war nichts anderes als eine Mundharmonika. Er sah sie von allen Seiten an, und fröhlich vermeldete er: „He, Pinsel, ab jetzt bin ich auch ein Musiker!“ Doch Pinsel lagen im Augenblick andere Dinge am Herzen. Er kämpfte mit der übergroßen Knackwurst.
Als Balduin Pfiff allerdings die Mundharmonika an seine Lippen setzte und die ersten zarten Töne durch den Raum schwebten, ließ Pinsel vor Schreck die Wurst fallen.
Wie jeder Anfänger blies Balduin mehrere Töne auf einmal, rutschte mit den Lippen nach rechts, dann nach links. Ebenso kippte Pinsels Kopf einmal nach links, einmal nach rechts. Schließlich hob er ihn, und seine braunen Augen starrten flehend zur Decke. Aus seinem tiefsten Inneren erklang ein schauriges, wenn auch leises Winseln.
„Huuuuuu-huuuuu-huuuuuuuu...“
Der Detektiv setzte ab und sah böse auf Pinsel, der auf der Stelle ebenfalls verstummte.
„Laß gefälligst das alberne Gejaule, wenn ich spiele. Ich bin schließlich keine Kirchenglocke. Hör mir lieber zu, ich versuche es jetzt mal mit ,Alle meine Entchen’...“
Der kleine Detektiv bemühte sich, den ersten richtigen Ton zu finden.
„Huuuuuuuu...“
„Pinsel!!!! Noch ein ,Hu’ und ich setze dich samt Wurst vor die Tür... Al-le-mei...“
„Huuuuuu...“
Balduin Pfiff schwang sich auf, marschierte mit energischem Links-zwo-drei-vier auf Pinsel zu, nahm dessen Wurst, öffnete die Tür und warf den Knacker in den Korridor hinaus. Seine betont strenge Stimme glitt an einem ausgestreckten Arm übereinen ausgestreckten Fingerentlang: „Hinaus, du unmusikalischer Hund!“
Mit erhobenem Kopf tippelte Pinsel aus der guten Stube.
„Wau-wau!“ schnauzte er zutiefst beleidigt, ehe er sich neben der Knackwurst niederließ.
Nach dem 19. Versuch gelang es Balduin Pfiff endlich, „Alle meine Entchen“ fehlerfrei und in einem Stück zu spielen. Er war mächtig stolz auf sich.
„Na, du dicker Mops“, fragte er sein Spiegelbild, „bin ich nun musikalisch oder nicht, he?“ Dann drehte er sich einmal um die eigene Achse und antwortete seinem Spiegelbild: „Aber nein, Baldi, du bist nicht nur ein großer Detektiv, du wirst eines Tages auch noch ein großer Musikus sein!“
Und dann lachte der kleine dicke Detektiv, und sein Bäuchlein hüpfte wieder einmal im Rhythmus ausgelassenster Fröhlichkeit.
So neu wie außen war es auch innen.
Mitten in der mit Marmor ausgelegten Halle standen auf einem Steinsockel zwei nackte Damen, natürlich ebenfalls aus Stein, und blickten in die obere linke
Weitere Kostenlose Bücher