Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
Sobald die Zeitungen über den Raub berichteten, erzählte Lou alles seiner Freundin – wie clever er wäre, wie stolz sie auf ihn sein könne. Doch sie geriet in Panik und erklärte ihm, er würde im Gefängnis enden. Ihre Reaktion brachte Lou aus der Fassung. Er hatte gehofft, sie wäre beeindruckt von seiner Cleverness; stattdessen regte sie sich auf und reagierte so hysterisch, dass Lou, niedergeschlagen und deprimiert, gleich in seine Lieblingsbar rannte und dem Barkeeper die ganze Geschichte erzählte.«
»Dann war er offenbar nicht besonders clever.«
»Na ja, er war Amateur. Er war nicht Jimmy Burke, so viel ist sicher. Und dieser alte Kumpel von ihm – derjenige, der mit Lous Exfrau bumste – hatte so viel Angst, dass seine eigene Frau von der Affäre mit Beverley Werner erfahren würde, dass er sich einverstanden erklärte, dem FBI auf jede erdenkliche Weise zu helfen. Von dem Moment an nahmen die Dinge ihren Lauf. Die Feds besorgten sich Zeugenaussagen von einem halben Dutzend Leute, bei denen Lou Werner geplaudert hatte, und nahmen ihn fest.«
»Verriet er Burke und den Rest der Bande?«
»Nun, so hatten sie es sich jedenfalls vorgestellt. Dem stellvertretenden Bundesanwalt, der den Fall leitete, einem gewissen Ed McDonald, wurde der Name eines Angestellten der Lufthansa-Frachtabteilung zugetragen, Peter Gruenewald. Angeblich hatten Werner und Gruenewald den Plan zusammen ausgeheckt. McDonald verhörte Gruenewald, der alles abstritt, bis man Flugtickets nach Bogota und weiter nach Taiwan entdeckte, die Gruenewald geordert hatte. Schließlich stießen die Ermittler auf einen der Männer, die Gruenewald als mögliche Alternative angesprochen hatte, um den Coup, den er und Werner geplant hatten, auszuführen. Sie hatten nun genug in der Hand, um Gruenewalds Verstrickung in den Lufthansa-Raub nachzuweisen, sodass er sich zu einer Zusammenarbeit mit McDonald entschloss.
Nun glaubte McDonald, dass Werner einfach die Namen aller Beteiligten herausrücken würde. Vor seiner Verhaftung hatte er praktisch nur über den Lufthansa-Raub gesprochen; jetzt aber reagierte er völlig zugeknöpft. Er behauptete, nichts mit dem Raub zu tun und gegenüber seiner Frau und seiner Geliebten bloß geprahlt zu haben, um sein Ego aufzupolieren. Bis die Ermittler ihn mit Gruenewald konfrontierten. Werner bekam beinahe einen Herzinfarkt, bestand aber immer noch darauf, dass er nichts über den Raub wisse. Trotzdem zog McDonald – mit den Aussagen von Gruenewald, von Beverley Werner, von Lous Geliebter und dem Barkeeper – vor Gericht. Nach einer zehntägigen Verhandlung wurde Lou Werner im Mai 1978 für schuldig befunden, den Lufthansa-Raub organisiert zu haben. Nun hatte Lou die Wahl. Er konnte Joe Manri hochgehen lassen, und Manri konnte im Anschluss dann Jimmy Burke und den Rest der Gruppe verpfeifen, oder er konnte weiterhin den Mund halten.«
»Wofür entschied er sich?«
»Er bekam keine Chance mehr zu einer Entscheidung. In derselben Nacht entdeckte eine Streifenwagenbesatzung in Brooklyn die Leichen von Joe Manri und einem Kollegen von ihm, Robert McMahon, in einem Auto an der Ecke Shenectady Avenue und Avenue M. Beide waren jeweils mit einem einzigen Schuss Kaliber vierundvierzig in den Hinterkopf getötet worden.«
»Sie zählen plötzlich eine Menge Details auf, Frank. Wie kommt das?«
»Weil … nun, weil ich glaube … Falls mein Vater irgendwie direkt beteiligt war, dann wahrscheinlich an diesem Punkt hier. Ich glaube, er könnte Manri und McMahon erschossen und damit Lou Werner daran gehindert haben, die so dringend benötigte Verbindung zu Jimmy Burke herzustellen.«
»Und Sie glauben wirklich, er könnte so etwas getan haben?«
»Das glaube ich, ja.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Lou Werner kam im April 1979 vor Gericht. Ich war damals knapp fünfzehn, und ich erinnere mich, wie mein Vater an jenem Abend nach Hause kam. Wir hatten die ganze Geschichte am Fernseher verfolgt. Es war eine große Sache damals, über die tagelang berichtet wurde. Jedenfalls kam er nach Hause, und es lief gerade irgendein Bericht oder eine Nachrichtensendung. Der Mann im Fernsehen sagte gerade, dass Werner für schuldig befunden worden war und auf sein Strafmaß wartete und dass er nun möglicherweise mit dem Bundesanwalt kooperieren würde, um die Strafe möglichst gering zu halten.«
»Hat Ihr Vater zusammen mit Ihnen diese Sendung gesehen?«
»Ja. Das war wenige Stunden vor dem Bericht über die beiden Toten in
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