Der Schutzengel
Richtung, zerschoß die Kaffeemaschine, riß große Brocken aus der Wand neben dem Durchgang und mähte den Angreifer nieder, während er seine Waffe herumzureißen versuchte. Sie hatte in letzter Zeit nicht mehr viel mit der Uzi geübt und war überrascht, wie gut sich ihr Feuer kontrollieren ließ. Ebenso überrascht war sie darüber, wie elend sie sich beim Töten fühlte, obwohl diese Männer versuchten, sie und ihren Sohn zu ermorden. Übelkeit durchflutete sie wie ölig schwappendes Brackwasser, aber Laura würgte die in ihr aufsteigende Galle entschlossen hinunter. Ein dritter Mann war im Wohnzimmer erschienen, und sie war bereit, auch ihn zu erschießen – und hundert andere wie ihn –, selbst wenn ihr davon schlecht wurde, aber er warf sich aus ihrer Schußlinie, als er sah, wie sein Vorgänger durchsiebt wurde.
Jetzt zum Jeep!
Sie wußte nicht, wie viele Killer draußen lauerten; vielleicht waren es lediglich drei Angreifer gewesen, von denen jetzt nur noch einer lebte; vielleicht warteten draußen fünf oder zehn oder fünfzig. Unabhängig von ihrer Anzahl hatten sie bestimmt nicht mit so entschlossener Gegenwehr und schon gar nicht mit solcher Feuerkraft gerechnet – nicht von Seiten einer Frau und eines kleinen Jungen –, zumal sie wahrscheinlich wußten, daß ihr Beschützer verletzt und unbewaffnet war. Deshalb waren die Angreifer zunächst verblüfft in Deckung gegangen, um die Lage zu sondieren und ihr weiteres Vorgehen zu überlegen. Möglicherweise war dies ihre einzige Chance zur Flucht mit dem Jeep. Sie spurtete aus dem Haus hinüber zur Garage.
Laura sah, daß Chris den Motor des Jeeps angelassen hatte, während die Schüsse fielen; aus den Auspuffrohren kamen bläuliche Abgaswolken. Während sie zu dem Fahrzeug rannte, setzte das Garagentor sich nach oben in Bewegung: Chris hatte offenbar die Fernsteuerung betätigt, sobald er sie kommen sah.
Bis sie am Steuer saß, war das Tor zu einem Drittel geöffnet. Sie legte den ersten Gang ein. »Duck dich, Chris!«
Während Chris sofort gehorchte und auf seinem Sitz bis unter die Kante der Windschutzscheibe rutschte, nahm Laura den Fuß von der Bremse. Sie trat das Gaspedal durch, fuhr mit quietschenden Reifen an, ließ eine Gummispur auf dem Betonboden zurück und röhrte unter dem noch hochgehenden Garagentor, dessen untere Kante die Radioantenne abscherte, in die Nacht hinaus.
Die Reifen des Jeeps waren ohne Schneeketten, hatten aber ein grobstolliges Winterprofil. Damit gruben sie sich mühelos in die Mischung aus Kies und gefrorenem Schneematsch, von der die Einfahrt bedeckt war, und schleuderten einen Hagel von Eisbrocken und Kieselsteinen nach hinten.
Von links tauchte eine dunkle Gestalt auf: ein Mann in Schwarz, der zwölf, fünfzehn Meter entfernt über den Rasen lief und bei jedem Schritt Schneewolken aufwirbelte. Es war eine so schemenhafte Gestalt, daß sie lediglich ein Schatten hätte sein können, wenn das Aufheulen des Motors nicht von einem Feuerstoß übertönt worden wäre. Die Flanke des Jeeps erhielt mehrere Treffer, das Fenster hinter Laura zersplitterte, aber das Fahrerfenster blieb unbeschädigt. Sie raste weiter … nur noch wenige Sekunden, dann waren sie in Sicherheit … der Fahrtwind heulte und pfiff durch die zersplitterte Scheibe. Sie konnte nur hoffen, daß kein Reifen zerschossen war, hörte, wie das Karosserieblech von weiteren Schüssen getroffen wurde – oder vielleicht nur von wegspritzenden Steinen und Eisbrocken.
An der Einmündung zur Staatsstraße wußte Laura bestimmt, daß sie außer Schußweite waren. Während sie scharf bremste, um nach links abzubiegen, sah sie kurz in den Rückspiegel und erkannte weit hinter sich ein Scheinwerferpaar am Tor der offenen Garage. Die Killer waren ohne Fahrzeug gekommen – der Teufel mochte wissen, wie sie sich fortbewegt hatten, vielleicht mit Hilfe der seltsamen Gürtel – und jetzt im Begriff, sie mit ihrem eigenen Mercedes zu verfolgen.
Sie hatte vorgehabt, an der Staatsstraße 330 nach links abzubiegen, um an Running Springs und der Abzweigung zum Lake Arrowhead vorbei die Autobahn zu erreichen und nach San Bernardino zu fahren, wo es Menschen und Schutz gab, wo schwarzgekleidete Männer mit Maschinenpistolen sie nicht so leicht auf offener Straße überfallen konnten und wo sie ärztliche Hilfe für ihren Beschützer gefunden hätte. Als Laura jedoch die Scheinwerfer hinter sich sah, setzte ihr unterschwelliger Überlebenstrieb sich durch: Sie bog
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